Freiwillige Grabsteinpflege
Junge Menschen gedenken der KämpferInnen der Internationalen Brigaden
»Mein Vater hat mich ausgelacht, als er hörte, dass ich hier hingehen würde. Er lachte darüber, dass ich ›Kommunisten-Gräber‹ putzen würde«, sagt Apolena Kretschmerova. Die »Kommunisten-Gräber«, die ihr Vater meint, sind die der deutschen KämpferInnen, die im Spanischen Bürgerkrieg mit den Internationalen Brigaden gegen Francos FaschistInnen kämpften.
Im Rahmen eines internationalen Workcamps anlässlich des 80-jährigen Jubiläums der Gründung der Internationalen Brigaden, betreiben zwölf junge Menschen aus ganz Europa Grabpflege. Die 18-jährige Kretschmerova ist weniger interessiert an dem politischen Hintergrund der meist sozialistischen und anarchistischen KämpferInnen. An einem Workcamp teilzunehmen wurde ihr von ihrer Cousine empfohlen und sie freut sich auf den Kontakt zu anderen jungen Menschen. Die meisten CampteilnehmerInnen sind Studierende. Fächer wie polnische Literatur, Biotechnologie oder Internationales Recht stehen normalerweise auf dem Tagesplan. Außerdem sind fast alle historisch interessiert. Politisch engagiert sind sie dagegen nicht, obwohl sie hier auf einem SozialistInnenfriedhof arbeiten. Ihre Beweggründe zur Mithilfe sind hauptsächlich interkulturelle. Sie freuen sich, Menschen aus anderen Ländern in einer für alle fremden Umgebung kennenzulernen und ein fremdes Land zu bereisen.
Organisiert wird das Camp von der Vereinigung junger Freiwilliger (VjF) und den Kämpfern und Freunden der Spanischen Republik 1936-1939 (KFSR). Während des zwölftägigen Camps stehen eine »antifaschistische Stadtführung«, ein Gespräch mit dem Autor Victor Grossmann, ein Besuch im Bundestag, eine Führung durch die Gedenkstätte Sachsenhausen und die Besichtigung des sowjetischen Ehrenmals in Treptow auf dem Plan. Doch auch Freizeit kommt nicht zu kurz, so dass die GrabsteinpflegerInnen auf eigene Faust Berlin erkunden können, denn für fast alle ist es der erste Besuch in der Hauptstadt.
Was den jungen Erwachsenen größtenteils gemeinsam ist, ist der Wille, Geschichte und Gegenwart zu verknüpfen. Nicht nur durch Erinnerungen soll die Geschichte am Leben gehalten werden, auch durch praktische Arbeit, wie die der Grabsteinpflege.
Tanit Giner Martínez ist eine der beiden LeiterInnen des Workcamps. Die Familie der gebürtigen Katalonierin war vom Spanischen Bürgerkrieg persönlich betroffen. Ihr Großvater kämpfte als junger Mann für die Zweite Spanische Republik und wurde dafür insgesamt 14 Jahre inhaftiert. Das ist Martínez’ persönlichen Beweggrund dieses Camp zu leiten, und sie freut sich über das rege Interesse an dem Thema: »Wir hatten die Gruppe sofort voll«, sagt sie.
Einen unfreiwilligen Bezug zur Gegenwart stellt auch Katerjna Bondarenko her. Die 19-jährige Ukrainerin aus der von Mai 2014 bis Januar 2015 umkämpften Stadt Donezk ist von dem Thema Bürgerkrieg direkt betroffen. »Es ist wichtig, der Menschen zu gedenken, die freiwillig für die Freiheit gekämpft haben«, sagt sie. Und weiter: »Sie dachten nicht national, sondern international.« Auch Bondarenko liegt, neben der persönlichen Betroffenheit, das Zusammenkommen mit unterschiedlichsten Menschen aus verschiedenen Ländern am Herzen. »Es ist toll, wie viel wir gemeinsam haben«, sagt sie.
Über die sauberen Grabsteine freuen sich am meisten die Angehörigen der verstorbenen KämpferInnen. Eva Mendl besucht den ihres Vaters und sagt: »Ich finde das klasse!«
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