Die Grenzen der Freiheit
Freie Software soll für jedermann verfügbar sein. Auch fürs Militär?
1942 waren die Verhältnisse zwischen Robotern und Menschen noch klar geregelt: »Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird«, schrieb der amerikanische Autor Isaac Asimov damals in seiner Kurzgeschichte »Runaroud« und formulierte damit einen Grundsatz, der bis heute die Science-Fiction-Literatur prägt. Vertreter der realen Welt warten 74 Jahre später hingegen immer noch: Nicht nur darauf, dass menschenähnliche Roboter endlich Rohstoffe auf dem Merkur fördern, sondern auch auf die konfliktfreie Umsetzung von Isaac Asimovs Robotergesetzen.
Was Asimov in den 1940er Jahren das fiktionale »Handbook of Robotics, 56th Edition, 2058 A.D.« war, heißt in der Welt der real existierenden Nerds schlicht »GNU«. Seit 1985 steht das Akronym für ein Prinzip, das nicht nur die Lizenzbedingungen von Open-Source-Software regelt, sondern für seine Anhänger zu einer wahr gewordenen Gesellschaftsutopie geworden ist: Software, frei für jedermann. Doch was ist, wenn zu diesem »jedermann« auch Menschen gehören, die Böses im Sinn haben? Darf Software, die die Welt doch eigentlich besser machen sollte, auch die Rakete einer Kampfdrohne ins Ziel lenken? Darf der niedliche Linux-Pinguin auch von der Steuereinheit eines Kampfpanzers grinsen? Endet das Recht der Software-Nutzung für jedermann dort, wo das Leben von Menschen bedroht ist?
Die Antwort auf die Frage, die heute die IT-Szene entzweit, war bei Isaac Asimov noch eindeutig: In seinem zweiten Robotergesetz schrieb der Biochemiker zwar, dass die Maschinen menschlichen Befehlen Folge leisten müssten. Dies aber nur solange, wie dadurch Menschen kein Schaden zugefügt werde.
Anhänger dieses Grundsatzes ist auch das Unternehmen Qabel: Der Verschlüsselungsanbieter verspricht, Kommunikation über WhatsApp, E-Mail oder Cloud-Dienste sicherer zu machen. Wie bei den meisten Kryptographie-Anbietern ist die Software des Unternehmens quelloffen. Das heißt, jeder kann sich den Quelltext der Software anschauen, und sich somit selbst überzeugen, dass das Programm mit den eigenen Daten wirklich nur das macht, was es soll.
Was man gemeinhin unter »Open Source« versteht, ist das Programm aber nicht. Denn anders als bei »Freier Software« üblich, ist die Software nicht diskriminierungsfrei. Militärs und Geheimdienste sind von der Nutzung des Produktes ausgeschlossen.
Doch genau diese Freiheit hatte Richard Stallmann, der spirituelle Vordenker der Open-Source-Bewegung, im Sinn, als er in seinem »GNU-Manifesto« 1985 festschrieb: Frei wie »free of speech« (Meinungsfreiheit) und nicht wie »free of charge« (kostenlos). Freie Software sollte durch jeden verwendet, verstanden, verbreitet und verändert werden können. Ohne Einschränkung.
»Wir wollen einfach nicht, dass unsere Software, dass unser Werk, das, woran wir arbeiten, für Dinge verwendet wird, die Menschen schaden oder irgendwie einschränken«, sagte hingegen Peter Leppelt, Geschäftsführer von Qabel in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Und erntet damit viel Zuspruch in der Szene. Denn die Frage nach den Grenzen der Quelltext-Freiheit hat nicht nur für Anbieter von Verschlüsselungstechnik Relevanz.
Seit Jahren streiten in Deutschland Unis, Politiker und Studenten über die sogenannte Zivilklausel. An 62 deutschen Hochschulen ist die militärische Nutzung der Forschungsergebnisse mittlerweile ausgeschlossen. In Thüringen, Hessen, Brandenburg, NRW und Bremen ist die friedliche Nutzung sogar in den Landeshochschulgesetzen festgeschrieben. Gleichzeitig steht Software, die an Unis entwickelt wurde, allerdings oft unter einer Open-Source-Lizenz. Das heißt auch: Jeder darf sie benutzen. Oder? Richard Stallmann und seine »Free Software Foundation« haben sich schon vor zehn Jahren festgelegt: Als damals Entwickler die GNU-Lizenz so modifizierten, dass sie die Nutzung der Software für militärische Zwecke ausschloss, untersagte ihnen Stallmann die Nutzung der Lizenz und beharrte darauf, dass freie Software auch fürs Militär frei zugänglich sein müsse.
Größere Kreativität bei der Lösung des Dilemmas zeigte hingegen kürzlich das Bremer Justizressort. Als Uni und Bundeswehr trotz bestehender Zivilklausel miteinander kooperieren wollten, kamen die Experten zu dem Schluss, dass »friedliche« und »militärische Nutzung« einander nicht ausschließen würden. Ein Grundsatz, der wohl selbst Asimovs Roboter in moralische Konflikte gebracht hätte. Aber von »Neusprech« war in der Science-Fiction-Literatur erst sieben Jahre später die Rede.
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