Mordlüsterne Zombies und andere skurrile Typen

Aleksandar Hemon aus Sarajewo lebt inzwischen in den USA; sein Schreiben kreist weiter um Flucht und Exil

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Der 1964 in Sarajewo geborene Aleksandar Hemon befand sich 1992 gerade als Literaturstipendiat in den USA, als der Bosnienkrieg ausbrach. Er beantragte Asyl und lebt seitdem in Chicago. Seine von der Kritik hoch gelobten und teilweise prämierten Bücher schreibt er mittlerweile auf Englisch, weshalb er in Interviews immer wieder auf Vladimir Nabokov angesprochen wird, der nach der exilbedingten Ankunft in den USA ebenfalls anfing auf Englisch zu publizieren. Und ähnlich wie bei Nabokov dreht sich Aleksandar Hemons Literatur motivisch sehr viel um Flucht, Migration und Exil, was seinen Büchern derzeit hohe Aktualität verleiht.

Im Zentrum seines neuen Romans »Zombie Wars« steht der 30-jährige erfolglose Drehbuchschreiber Jo-shua. Dessen Tagträume bestehen aus imaginierten Zombiefilmen und anderen abstrusen Skriptideen, die als kurze und sehr unterhaltsame Einschübe in den Romantext eingebettet sind. Seinen Unterhalt verdient sich der Spross ehemaliger jüdischer Einwanderer als Englischlehrer für osteuropäische Migranten. Dabei lernt er die aus Bosnien stammende attraktive Ana kennen und lässt sich auf eine Affäre mit ihr ein.

Nur, Ana ist verheiratet und ihr Ehemann, ein ehemaliger, ziemlich gewalttätiger Elitesoldat, macht Joshua bald das Leben zur Hölle. Aber damit nicht genug. Bei Joshuas Vater wird Prostatakrebs diagnostiziert, während scheidungsbedingt eh schon die ganze Familie auseinanderzubrechen droht. Er selbst bekommt Probleme mit seinem Vermieter, einem muskelbepackten psychopathischen Ex-Marine und Irakkriegs-Veteranen, der maßlos viel Bier trinkt, jede Menge Drogen konsumiert und ständig halb nackt mit einem Samurai-Schwert bewaffnet durch die Gegend läuft.

Aleksandar Hemon weiß diese Geschichte um Sehnsucht, Begehren und jede Menge persönliches Scheitern auf grandios ironische Art zu erzählen. Das gesamte Personal in diesem flotten und nie langweiligen Roman besteht aus ziemlich verrückten, aber ebenso sympathischen Anti-Helden. Da ist Joshuas zänkische Familie, die keine Gelegenheit auslässt, sich gegenseitig alle persönlichen Verfehlungen der letzten Jahre an den Kopf zu knallen. Seine Freundin ist ein Kontroll-Freak, arbeitet als Psychologin und hat - zur Freude Joshuas - eine Vorliebe für SM-Sex. Und in einem Drehbuch-Workshop, den Jo-shua jede Woche besucht, trifft er auf eine ganze Truppe eigenwilliger Versager, die ihre skurrilen Skriptideen austauschen.

Flucht und Verfolgung sind die zentralen Motive in Aleksandar Hemons Roman: egal ob es die Figuren in Joshuas Drehbuch sind, die vor den mordlüsternen Zombies fliehen oder die Menschen in seiner Umgebung, die ebenso von ihren Ängsten wie von ihren romantischen und sexuellen Begehrlichkeiten verfolgt werden.

Und genauso stehen dem eigentlich perfekten Leben im sicheren Amerika immer die Kriegserinnerungen der Migranten gegenüber, denen einfach nicht zu entkommen ist. Aber selbst der in Chicago aufgewachsene Joshua stößt immer wieder auf die traumatischen Erinnerungen seiner jüdischen Familie, die einst vor den Nazis fliehen musste. Die grundlegenden Konflikte, wie mit den Erinnerungen an den Krieg und den neuen Lebensbedingungen umzugehen ist, bleiben letztlich bestehen und werden nicht aufgelöst. Aber Hemons Figuren lernen sich damit zu arrangieren. Und auch wenn Joshua am Ende ohne Freundin und Geliebte dasteht, hat er wenigstens eine Drehbuchidee. Denn die Titel gebenden »Zombie-Wars« sind am Ende nicht nur eine gelungene Allegorie auf die Erlebnisse der Romanfiguren, sondern auch ein Filmskript, das Joshua endlich zu Ende schreibt.

Aleksandar Hemon: Zombie Wars. Roman. Aus dem Englischen von André Mumot. Knaus Verlag, 320 S., geb., 19.99 €.

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