Gedanken auf der Insel

Zum Weltfriedenstag

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf dem Haus gegenüber turnten Bauarbeiter herum. Was stellen sie denn da aufs Dach?, fragte das Kind. Eine Sirene, sagte der Großvater. Sie heult, wenn Bombenalarm ist. Da müssen nämlich alle ganz schnell in den Keller. - Kann das passieren? - Aber nein, das ist nur vorsorglich.

Später erlebte das Kind einen Streit (Es ging wohl um die Gründung der NVA.) Wenn ihr jetzt wieder damit anfangt, schimpfte die Mutter, dann nehme ich meine Kinder und gehe nach Ostfriesland. Als ob ihr dort sicher wärt, schimpfte der Vater zurück. Das war mal, aber inzwischen gibt es Atombomben …

»Kleine weiße Friedenstaube, fliege übers Land, bringe allen Menschen Frieden ...«, sang das Kind dann in der Schule, glaubte daran, dass man allen Menschen Frieden bringen kann -, und ängstigte sich in der Nacht.

Glauben wir noch, in einem friedlichen Land zu leben? Dem Gefühl nach scheint es bestenfalls eine Insel zu sein, gegen die ein Meer von Konfrontationen, Unruhen - und Not - anbrandet. Die CDU wirbt auf ihren Wahlplakaten in Berlin mit dem Wort »Sicherheit«. Das Gegenteil ist mitzudenken. Der Beschluss des Bundeskabinetts zur Zivilverteidigung vorige Woche hat das Potenzial zur Angstmache. Worauf sollen wir da vorbereitet werden?

Bis 1989/1990 hat der Kalte Krieg die Welt geordnet - stabile Kräfteverhältnisse, kalkulierbare Konflikte. Inzwischen ist ein neues Tauziehen im Gange. Die Bilder davon sind alarmierend. Die Ursachen für die jeweiligen Konfliktlagen, die Kräfte, die hinter den unmittelbar Kämpfenden stehen, bleiben indes oft im Dunkeln. Geopolitische und ökonomische Ursachen werden in der Öffentlichkeit zu wenig analysiert. Die es tun könnten, sind entweder selbst involviert oder sie unterlassen es, weil sie durch den Vorwurf angeblicher Vereinfachung eingeschüchtert sind.

»Das ist der einfache Frieden, den schätze nicht gering«, heißt es in einem Lied von Gisela Steineckert. Wie die Leute morgens in Straßencafés sitzen und abends durch die Stadt flanieren, wie zum Beispiel im August um Mitternacht im dunklen Weimarer Park 30 000 Menschen unterwegs waren, um ein Lichtspektakel zu bewundern, ohne dass da sichtbar Bewaffnete zu ihrem Schutz aufgeboten worden sind, das muss in der heutigen Welt schon wie ein Luxus erscheinen. Ein Luxus, den wir zusätzlich zu unserem Wohlstand auch noch besitzen.

Hat Europa seinen 70 Jahre währenden Frieden, haben die USA ihre Macht nicht auf Kosten anderer Länder errungen? Man mag es kaum glauben: Von 1945 bis heute hat es weltweit über 100 Kriege gegeben, die zum Teil über Jahrzehnte dauerten oder heute noch stattfinden. Dabei ging es auch um lokale Interessen und Konflikte, doch sind sie oft zu Stellvertreterkriegen der Großmächte geworden. Wir, auf unserer deutschen Insel, hätten daran keinen Anteil, keine Schuld? Aber hallo! Nach den USA und Russland ist Deutschland neben China und Frankreich der größte Waffenexporteur weltweit.

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