Vorgelagerte Kontrollen

US-Einwanderungsbehörde will Passagiere bereits in München und Frankfurt am Main durchleuchten

  • Matthias Monroy
  • Lesedauer: 4 Min.

Das US-Heimatschutzministerium plant die Ausweitung seiner »Preclearance Border Control« auf europäische Flughäfen. Das Personal der Einwanderungsbehörde Customs and Border Protection (CBP) soll Reisende in die USA vor dem Betreten der Flugzeuge überprüfen. Ein solcher Check würde nach den Sicherheitsschleusen vorgenommen, für die in Deutschland die Bundespolizei zuständig ist. Die US-Behörden prüfen dann die Ausweisdokumente, nehmen Fingerabdrücke ab und führen die Zollabfertigung durch. Die Prozedur könnte auch an automatisierten Kiosken erfolgen. Mit den Kontrollen erhielten die US-Behörden das Recht, Reisende zu befragen und auch zu durchsuchen.

Entsprechende Überlegungen wurden bereits im vergangenen Jahr bekannt. Damals verhandelte die US-Regierung mit mindestens sieben Ländern, darunter Belgien und den Niederlanden, über die Beteiligung am »Preclearance«-Programm. Auch Großbritannien, Frankreich, Schweden sowie Deutschland wurden angefragt, zunächst jedoch inoffiziell auf Ebene der Innenministerien. Die Flughäfen in Madrid-Barajas und Warschau haben bereits Interesse an einer Teilnahme signalisiert. Direkte Gespräche führte die US-Einwanderungsbehörde auch mit den Flughäfen Frankfurt am Main und München.

Bislang finden vorverlagerte US-Einreisekontrollen in Europa lediglich an den Flughäfen Shannon und Dublin in Irland statt. Laut einem Bericht der Tageszeitung »New York Times« plant die US-Regierung nun die Erweiterung auf Amsterdam-Schiphol, Brüssel-Zaventem und den Atatürk-Flughafen in Istanbul. Die Flughafengesellschaften sollen dabei für einen Großteil der Kosten für die Infrastruktur aufkommen. Im Gegenzug würden die in den USA ankommenden Passagiere dann wie Inlandsreisende behandelt.

Das Bundesinnenministerium hatte sich letztes Jahr zurückhaltend zu der Übernahme hoheitlicher Befugnisse von US-Behörden in Deutschland positioniert. Großbritannien zeigt sich demgegenüber aufgeschlossen, Frankreich würde nur zustimmen, wenn sich die USA an der Finanzierung der nötigen Infrastruktur beteiligt. Auch in Schweden wurde der Vorschlag vorgebracht, zunächst lehnte die dortige Regierung jedoch ab und schlug eine Prüfung der Auswirkungen auf die Schengen-Regelungen und die Menschenrechtskonvention vor.

Auch ohne das »Preclearance«-Programm werden Passagiere auf dem Weg in die USA an vielen europäischen Flughäfen von US-Behörden kontrolliert. Bislang erfolgt das jedoch unbemerkt. Die auch in Frankfurt stationierte CBP erhält von der deutschen Bundespolizei die Passagierdaten aller Reisenden eines Fluges und gleicht diese mit eigenen Datenbanken und Flugverbotslisten ab. Soll ein Fluggast nicht befördert werden, erhält das Luftfahrtunternehmen einen entsprechenden Hinweis. Den Zahlen des Heimatschutzministeriums zufolge wurden durch diese sogenannten Last-Gate-Checks im vergangenen Jahr weltweit 10 700 Reisende am Flug gehindert. Als Gründe nennt das Ministerium »nationale Sicherheitsrisiken«, vorausgegangene Straftaten oder das Fehlen von Visa. Mitunter stimmte lediglich die Schreibweise des Namens auf dem Ticket und in den Ausweisdokumenten nicht überein.

Die »Last-Gate-Checks« gelten offiziell nicht als Luftsicherheitskontrollen, das deutsche Innenministerium bezeichnet sie als »Beratung in grenzpolizeilicher Hinsicht«. Faktisch handelt es sich jedoch um ein Reiseverbot, die Betroffenen dürften die Maßnahme wie eine Amtshandlung der US-Bediensteten empfinden. Denn die Beförderung unliebsamer Passagiere von deutschen Flughäfen wäre den Fluglinien zwar erlaubt, jedoch erhielten sie keine Überflug- und Landeerlaubnis für die USA.

Laut »New York Times« arbeiten derzeit rund 500 Beamte von US-Einwanderungsbehörden an 15 ausländischen Flughäfen, darunter in Kanada, den Bermudas, Bahamas, Abu Dhabi und Irland. Das dort abfliegende Passagieraufkommen macht etwa 15 Prozent der Einreisen aus, mit dem neuen Programm ist eine Steigerung auf 33 Prozent geplant. Betroffen sind jene 38 Länder, die wie Deutschland am Visa-Waiver-Programm teilnehmen. Es erlaubt visafreie Einreisen für Besuche bis zu 90 Tagen. Im Gegenzug werden die Länder jedoch zur Teilnahme an »Preclearance«-Maßnahmen verpflichtet, anderenfalls droht die US-Regierung mit der Streichung der Reiseerleichterungen im Visa-Waiver-Programm.

Im Dezember wurden die Einreisebestimmungen im Rahmen des Visa-Waiver-Programms abermals verschärft. Schließlich wurden Pläne bekannt, von allen Passagieren vor dem Flug ihre Onlinepräsenzen abzufragen. Eine entsprechende Angabe würde zuerst im Online-Antrag für die Elektronische Reisegenehmigung (ESTA) erhoben. Auf diese Weise wollen die Behörden die Risikoanalyse der Passagiere verfeinern. Finden sich Auffälligkeiten, etwa Facebook-Freundschaften und Twitterkontakte mit Personen, die auf einer Flugverbotsliste stehen, kann der Flug verweigert werden. In Deutschland würden die Betroffenen davon am Flughafen Frankfurt oder München erfahren.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -