Bier marsch!

Drei Kilometer lange Pipeline soll UNESCO-Stadt Brügge entlasten

  • Amelie Richter, Brügge
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer Bier liebt, hatte vielleicht schon einmal diesen Traum: Aus dem Hahn sprudelt plötzlich kein Wasser mehr, sondern frisch prickelndes Bier. Direkt aus einer eigenen Leitung. In der flämischen Stadt Brügge träumt Xavier Vanneste nicht länger von der Bierleitung - er hat sie gebaut. Der Besitzer der belgischen Traditionsbrauerei De Halve Maan ließ drei Kilometer lange Rohre unter der von der UNESCO als Weltkulturerbe geschützten Stadt verlegen. Das Projekt klingt abenteuerlich, hat aber wirtschaftliche Gründe. De Halve Maan - flämisch für Halbmond - braut zwischen Grachten, Souvenirläden und Pommesbuden direkt im mittelalterlichen Stadtkern von Brügge. Seit 500 Jahren werde hier schon Bier produziert, erklärt Vanneste, der das Unternehmen in der sechsten Generation führt.

Die Produktionssteigerung in den letzten Jahren brachte Probleme mit sich: In der kleinen Brauerei war nicht mehr genug Platz, um alle Flaschen abzufüllen, weshalb das Unternehmen eine Abfüllfabrik drei Kilometer außerhalb des Stadtkerns in einem Industriegebiet baute. Seitdem poltern jeden Tag vier bis fünf Tanklaster mit je 30 000 Litern Bier über das Kopfsteinpflaster. Die etwa 600 Jahre alte Gassenstruktur ist eng und verwinkelt. Vor allem im Sommer sind viele Touristen unterwegs. Vanneste träumt von einer praktischeren Lösung.

Als er Bauarbeiter ein Kabel verlegen sieht, kommt ihm die Idee: Eine unterirdische Rohrleitung, von der Brauerei bis zur Abfüllfabrik. Denn irgendwann, da ist er sich sicher, hätte es Ärger wegen des Verkehrs gegeben. Mit der Bierleitung könne er seine Firma im historischen Stadtkern halten.

Gut vier Jahre dauerten Planung und Bau der Bierleitung. »Technisch war das nicht kompliziert, es ist das gleiche Verfahren wie beim Verlegen von Leitungen für Trinkwasser«, sagt Vanneste. Die Rohre wurden unterirdisch durch den Boden geschoben. Zwischen zwei und 34 Metern tief liegen sie unter der Erde. An der tiefsten Stelle verlaufen sie unter einer Tiefgarage. Der Straßenbelag musste für den Bau nur an zwei Stellen geöffnet werden. Vier Millionen Euro investierte Vanneste in das Projekt.

Die Rohre aus besonders hartem Plastik sind lebensmittelfreundlich, können gereinigt und keimfrei gemacht werden. Ab September werden nun pro Stunde 4000 Liter Bier durch sie schießen. 12 000 Flaschen können damit gefüllt werden. Ganz ohne Laster wird die Bierproduktion auch künftig nicht funktionieren, die Zutaten müssen zur Brauerei gebracht werden. 10 bis 15 Prozent des Verkehrs würden also bleiben, sagt Vanneste.

Brügges Bürgermeister Renaat Landuyt, war zunächst weniger begeistert. »Was mein erster Gedanke war? Das ist ein Witz«. Nach einiger Bedenkzeit sah er darin aber eine gute Möglichkeit, das Verkehrsproblem zu lösen. »Bei uns sieht es zwar aus wie im Museum, aber wir müssen hier auch arbeiten und leben.« Im mittelalterlichen Stadtkern wohnen etwa 18 000 Menschen. »Und genauso viele Besucher haben wir zusätzlich jeden Tag«, so Landuyt. Pro Jahr kommen mehr als sechs Millionen Touristen in die 180 000-Einwohner-Stadt. Dass das Projekt viel Aufmerksamkeit bekomme, sei natürlich auch kein Nachteil. In Europa sei die Bierleitung die erste in dieser Länge.

Schon vor dem Bau interessierten sich viele Bewohner für das Projekt. »Manche boten sogar Geld an, um einen privaten Anschluss zu bekommen«, erzählt Vanneste. So kam er auf die Idee, einen Teil mit Crowdfunding zu finanzieren. Die Gegenleistung: Bier. Je nach Höhe des Beitrags erhält der Investor einen Anteil. Der höchste Beitrag war 7500 Euro. Der Investor bekommt dafür jeden Tag eine Flasche Bier von Sorten wie »Brugse Zot« oder »Straffe Hendrik«. Bis ans Lebensende. Besonders Findige hätten das Angebot auf den jüngsten Volljährigen der Familie abgeschlossen. Näher wird man dem Traum des unerschöpflichen Bierflusses auch nicht kommen. Denn die Bierleitung ist sicher vor illegalen Zapfern. Versuch zwecklos, sagt Vanneste. dpa/nd

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