Die LINKE nominiert Norbert Müller
Gut gemacht, aber nicht das ganz große Kino im Multiplex im Potsdamer Hauptbahnhof. Denn die Spannung fehlt. Erwartungsgemäß nominiert die LINKE am Sonnabend in einem Kinosaal ihren Bundestagsabgeordneten Norbert Müller zum Direktkandidaten für die Wahl 2017. Dann soll er erneut in Potsdam und Umgebung antreten.
Alle 956 Genossen, die im Wahlkreis 61 wohnen, waren eingeladen. 135 sind gekommen, um die Entscheidung zu fällen. Sie hören Müller zehn Minuten zu, wie er seine Bewerbung begründet. Was hatte Potsdam davon, so fragt er, dass nach dem Ausscheiden von Rolf Kutzmutz 2002 die Stadt ab 2014 wieder einen linken Abgeordneten im Bundestag hatte? Als Antimilitarist engagierte sich Müller gegen einen Schießplatz der Bundeswehr in der Döberitzer Heide, als Antimilitarist möchte er den geplanten Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche gern noch verhindern. Dafür erhält er den ersten Beifall. Er bedankt sich bei allen, die mit ihm gegen Pogida protestierten und bekommt wieder Applaus. Er verrät, dass er den Co-Trainer der beim SV Babelsberg 03 angesiedelten Flüchtlingsmannschaft »Welcome United« zur Ausländerbehörde begleitete und so half, die drohende Abschiebung von Zahirat »Hassan« Juseinov nach Mazedonien zu verhindern. Am Ende seiner Rede gibt Müller das Ziel aus, 2017 im Wahlkreis das Ergebnis der Linkspartei zu halten, vielleicht sogar auszubauen - und die Zuhörer klatschen zum dritten Mal.
In der Nachfragerunde gibt es viel Lob, aber jemand deutet freundlich an, ewig könne Müller dann doch nicht im Bundestag bleiben und er solle sich um einen Beruf kümmern. Der 30-Jährige versteht die Anspielung. Er studiert seit 2005, strebt einen Abschluss als Lehrer für Deutsch und Lebenskunde an, lässt die Sache aber seit 2013 notgedrungen schleifen, als er erst in den Landtag einzog, dann in den Bundestag. Vorher hatte er auch schon Urlaubssemester eingelegt. Er hat kleine Kinder. »Ich bin stolz, dass ich dieses Jahr mal wieder eine Hausarbeit an der Universität Potsdam abgeben konnte«, sagt er.
Müllers Mitbewerber, der langzeitarbeitslose Jürgen Weber, ist quasi im falschen Film. Eine schriftliche Bewerbung des 56-Jährigen liegt vor, aber er taucht nicht auf. Rentner Horst Jäkel meldet sich. Er kenne Weber und dessen Motiv. Weber habe Müller nicht verdrängen wollen, nur um mehr Aufmerksamkeit für Betroffene von Hartz IV bitten wollen. In Abwesenheit erhält Weber zwei Stimmen. Es werden auch neun Enthaltungen und vier ungültige Stimmzettel abgegeben.
Müller erwartet, er werde es im Bundestagswahlkampf mit der streng »nationalkonservativen« CDU-Landtagsabgeordneten Saskia Ludwig zu tun bekommen, über die er bitterböse bemerkt: »Vielleicht kandidiert sie auch für die AfD.«
Die Versammlung im Kinosaal hat ein Happy End: Eine Spendenbüchse geht herum, um die Produktion des Dokumentarfilms »Der marktgerechte Mensch« zu unterstützen. Die Genossen spendieren fast 400 Euro, der Kreisvorstand Potsdam legt 200 Euro oben drauf.
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