Die Zimmer und die Hasen

Showdown am Pool auf dem Dach und ein Hund namens Percy als Charakteristikum des ARD-Sonntagabendkrimis: die Wiener Folge »Die Kunst des Krieges«

  • Matthias Dell
  • Lesedauer: 4 Min.

Der »Tatort« ist eine Familienkutsche. Er zuckelt gemütlich durch die Landschaft und hält sich an die Straßenverkehrsordnung. Weil das auf Dauer etwas langweilig und berechenbar ist, tritt er manchmal auch aufs Gas oder tut zumindest so - wie letzte Woche in Stuttgart, als eine hübsch aufgepimpte Spekulation über kommende künstliche Intelligenz gleichwohl beherrschbar wirkte von der bestenfalls durchschnittlichen Intelligenz des selbstgefälligen Ermittlerduos Lannert und Bootz.

Und es ist diese Woche so, obwohl das Wiener Ermittlerduo Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) das ganze Gegenteil des Stuttgarter Paares ist: sympathisch, humorvoll, unterscheidbar. In »Die Kunst des Krieges« (Redaktion beim ORF: Alexander Vedernjak) geht es in den Bereich der Organisierten Kriminalität, das aber auf denkbar wurschtigste Weise.

Wenn am Ende etwa die aus dem Kino ausgeborgte Kampffrauen-Figur »Asia« (Puti Pendekar Kaisar) das Leben der bei der Bibi untergebrachten Zeugin (Janina Rudenska) durch Entführung gefährdet, rücken der Eisner und die Bibi aus wie zum Parkscheinekontrollieren. Der Showdown am Pool auf dem Dach der überaus eindrucksvollen Wohnhochhäuser von Alt-Erlaa im Südwesten Wiens (Take that, Günther Jauch!) ist zuerst ein Tête-à-Tête von Unterwelt-Oberfiesling Mittermeier (mit schönem Schnauz: Michael Fuith) und in seiner Ermittlerehre verletztem Kommissar. Bis dem Film aufzufallen scheint, dass, wo so viele Waffen aufeinander gerichtet sind und wo sich der Oberfiesling zu allem entschlossen zu haben scheint, es doch besser wäre, ein Sondereinsatzkommando bei der Hand zu haben. Und werden Bodyguardin und Oberfiesling von einem Fernschützen erledigt - komischerweise von ein und demselben; es ist also Zeit zum Durchladen.

Über den Actionszenen liegt eine gewisse Gemächlichkeit, das lässt sich in diesem »Tatort« gut studieren. Der preiswerte Klassiker, die Fußverfolgung, könnte dynamischer inszeniert sein (Regie und auch Buch: Thomas Roth), wenn schon kein Geld da ist, um Schnellstraßen zu sperren und rasante Jagden im Auto zu entwerfen. Vieles von dem, was in »Die Kunst des Krieges« auf Dramatik, Spannung und Bedrohlichkeit macht, verdankt sich tatsächlich einer ständig großspurig brummig-pulsenden Musik (Lothar Scherpe). Hier wird am meisten getuned.

Die Geschichte erscheint dagegen, zumal für eigentlich doch originelle, weil österreichische Verhältnisse, hochgradig epigonal - was auch damit zu tun haben könnte, dass erst vor drei Jahren, sieben Folgen mit »Angezählt« in ähnlicher Lage ermittelt worden war: Milieu, Zwangsprostitution, Menschenhandel, Migration. Dort herrschen Verhältnisse, die einem dem Sonntagabend versauen könnten, weil der Kampf dagegen nicht so niedlich erscheint wie der putzige Hund namens Percy, auf dem der Film endet. Das desillusionierte Gegenstück dazu wäre eine Aufnahme am Anfang des Films, wenn die Kamera (Robert Oberrainer) vom Eisner-Auto aufzieht und sich das Gefährt immer verlorener ausnimmt in der großen Stadt, die Wien ist.

Percy ist das ideale Charakteristikum des ARD-Sonntagabendkrimis, ein austauschbares, schnell wieder zu vergessendes Attribut, das sich einer Hauptfigur anheften lässt (Eisner mag, sagt er, eigentlich keine Hunde).

Ein anderes - klassische Deklination des »Themas« durchs Protagonistenprivatleben hindurch - wäre der Freund, den die - von welcher Folge gleich noch mal? - lädierte Eisner-Tochter (Tanja Raunig) hat: ein Kerim mit türkischem Background, der kein Schweinefleisch isst. Der ungehaltene Eisner sorgt sich über die Zuckerdosenminarette im Tochter-Haushalt und versucht in seinen Einkäufen, der Tochter doch Schweinefleisch unterzujubeln - als wären seine Sorgen dann verschwunden. Als wäre das das Problem. Vermutlich wäre eine Vaterfigur, die Angst hat vor »anderen Kulturen«, relativ gegenwärtiger Ausdruck gesellschaftlicher Hysterien im Jahr 2016. Aber doch nicht so lieblos, dahingesagt und in völliger Abwesenheit Kerims.

Ein Hinweis, mit dem man auf Stehpartys reüssieren kann:
»Jetzt hör mal auf, so geschwollen zu reden.«

Ein Satz, der aus Kollegen Freunde macht:
»Doch, jetzt bin ich so.«

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