»Fahrradfieber«

Das weltweit größte Foto-Projekt über Fahrräder ist in der Werkstatt der Kulturen ausgestellt

Straßenbahngleise markieren die Fahrbahn. Aus allen Richtungen rollen Autos an die Kreuzung heran. Mittendrin steht ein Radfahrer. Ob er ein bisschen zögert beim Losfahren oder routiniert der Blechlawine entgegentritt, ist nicht überliefert. Aber darum geht es auch nicht. Der Fotograf Ilker Maga hat einen Augenblick festgehalten: Mensch und Fahrrad in einer ganz bestimmten Situation. Seit 23 Jahren macht das der Künstler nun schon so. 1982 ist bei ihm sozusagen das Fahrradfieber ausgebrochen. Tausende Bilder fotografierte er in der Türkei, in Holland und Deutschland. Entstanden ist das weltweit größte Foto-Projekt über Fahrräder. Mit einer Wanderausstellung präsentiert er jetzt 50 Schwarz-Weiß-Aufnahmen dem Berliner Publikum. Doch Maga zeigt nicht nur »nette Bilder«, sondern vergleicht über das Rad verschiedene Kulturen. »In der Türkei ist es ein Spielzeug, das nur in der Kindheit benutzt wird«, sagt der Fotograf. Steigt ein Erwachsener auf das Gefährt, werde derjenige immer noch als jemand aus der Unterschicht angesehen. »Das Fahrrad ist dort ein Symbol der Klassen«, erklärt Ilker Maga. Holland und Deutschland seien dagegen die Länder, in denen »das Fahrrad den Menschen am längsten und intensivsten begleitet«. Für den Künstler ist es ein Mittel mit vielen Besonderheiten: Ohne Generations-, Geschlechter- und Klassenunterschiede, das Transport- und Verkehrsmittel sein kann, aber auch zum Sport und Spiel dient. »Es vermittelt außerdem ein Gefühl von Freiheit und ist in keiner Weise umweltschädigend«, betont Maga. Schon deshalb verdient es sein besonderes Interesse. Er möchte auch bei den Ausstellungsbesuchern »das Fahrradfieber entfachen«. Ob ihm das gelingt, bleibt abzuwarten. Zumindest wecken die unterschiedlich großen Aufnahmen Neugier. Marita Czepa, eine Mitarbeiterin der »Werkstatt der Kulturen«, wo die Fotos gerade gezeigt werden, ist fasziniert von den Bildern. »Erstaunlich wie er immer im richtigen Moment auf den Auslöser drückte.« Zu sehen sind parkende, rollende, geschobene und fliegende Fahrräder. Auch Menschen, die sich durch den Schnee kämpfen oder eine vierköpfige Familie, die auf ein einziges Rad passt. Es gibt Schattenbilder und Umrisse von Radfahrern, die am abendlichen Horizont wie Scherenschnitte wirken. Eine Aufnahme zeigt einen älteren Herrn, der zwar auf dem Sattel sitzt, aber nicht in die Pedale tritt, weil ihn zwei Pferde ziehen. Beschriftet hat Maga die Aufnahmen nur mit dem Nötigsten: Ort, Land und Jahreszahl. »Jeder soll sich die Bilder selbst erschließen, denn sie erzählen eine Ge...

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