Es gibt nicht »die« Älteren

Rentenexperte Gerhard Bäcker will Altersarmut bereits im Erwerbsleben verhindern

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Der DGB startete am Dienstag eine Kampagne, die die Stabilisierung der Renten zum Ziel hat. Die Armutsgefährdungsquote unter Rentnern steigt zwar, aber mit 14,4 Prozent liegt sie noch ein Prozent unter der der Gesamtbevölkerung. Geht es den Rentnern so schlecht?

Es gibt andere Gruppen in der Bevölkerung wie Arbeitslose oder Alleinerziehende, die weitaus stärker vom Armutsrisiko betroffen sind als Rentner. Aber es gibt eben auch einen relevanten Teil älterer Menschen, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen und einkommensarm sind.

Es gibt Studien, die zeigen, dass die Rentner diejenige Bevölkerungsgruppe sind, die das meiste Vermögen aufweist. Einer Studie des DIW zufolge kann ein alleinstehender Mann im Schnitt ein Nettovermögen von 81 000 Euro sein Eigen nennen, wenn er unter 60 ist, und von 150 000 Euro, wenn er über 60 ist.

Das Vermögen wächst naturgemäß mit dem Alter, weil es sich die Menschen erst ansparen müssen. Auch wird meist erst im mittleren oder höheren Alter geerbt. Wenn Eltern mit 80 oder 85 sterben, dann erben eben Kinder, die selbst schon um die 60 sind. Doch ist das nicht allein eine Frage der Generationen. Auch unter den älteren Menschen gibt es ein großes Gefälle zwischen Arm und Reich. Es gibt nicht »die« Älteren. Die genannten Durchschnittswerte sind deshalb nicht aussagefähig.

Die soziale Spaltung setzt sich im Alter also fort?

Natürlich. Wer im Erwerbsleben wenig Einkommen hatte, weil er etwa lange arbeitslos war oder im Niedriglohnsektor gearbeitet hat, der wird auch als Rentner wenig zur Verfügung haben. Schließlich ist das Alterssicherungssystem hierzulande so aufgebaut, dass es die Situation im Erwerbsleben widerspiegelt.

Wer kann von der Rente gut leben?

Die Beamtenversorgung ist sehr viel besser als die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch vormalig gut verdienende Selbstständige sind meist besser gestellt als der Rest. Nicht zuletzt gibt es bei den Renten auch noch das Ost-West-Gefälle.

Und wie sieht es bei Frauen aus?

Frauen bekommen häufig eine niedrigere Rente, weil sie weniger verdient haben und zugleich kürzere Erwerbsbiografien aufweisen. Dies gilt besonders für Alleinstehende, die nicht auf ein zweites Einkommen durch den Ehepartner zurückgreifen können. Wichtig ist: Bei der Messung des Armutsrisikos beziehungsweise des Einkommensreichtums geht es nicht um das persönliche Einkommen, sondern um das Haushaltseinkommen. Viele Frauen sind deswegen im Alter nicht arm, weil sie mit einem Mann zusammenleben, der früher ausreichend verdient hat und nun über eine entsprechende Rente verfügt. So ist in den alten Bundesländern im Wesentlichen der Rentenanspruch des Ehemanns für das Haushaltseinkommen verantwortlich, weil die Frauenerwerbsbeteiligung der älteren Jahrgänge gering war.

Ist die Konzentration auf das Rentenniveau im Kampf gegen Altersarmut da überhaupt zielführend?

Ganz grundsätzlich: Bei der Altersversorgung darf es nicht allein um die Vermeidung von Altersarmut gehen. Keiner kann sich damit zufriedengeben, dass ältere Menschen knapp oberhalb der Armutsgrenze leben. Sondern das Ziel muss sein, dass der einmal erworbene Lebensstandard im Alter beibehalten werden kann. Keiner sollte umziehen müssen, weil er sich mit dem Renteneintritt die Miete für seine Wohnung nicht mehr leisten kann.

Und wie könnte man diejenigen Senioren besser stellen, die bereits im Erwerbsleben arm waren?

Zunächst müsste man da im Erwerbsleben ansetzen, also die Erwerbsbeteiligung erhöhen, Minijobs aufheben, Zeiten der Arbeitslosigkeit verkürzen und prekäre Beschäftigungsverhältnisse wie im Niedriglohnsektor zurückdrängen.

Für viele, die demnächst in Rente gehen, würden solche Maßnahmen zu spät kommen.

Für diese Personengruppe geht es darum, Zeiten der Arbeitslosigkeit besser zu bewerten sowie Niedrigeinkommen durch eine Verlängerung der Rente nach Mindestentgeltpunkten aufzuwerten. Und vordringlich ist es, die besonders niedrig ausfallenden Erwerbsminderungsrenten zu verbessern, indem auf die Rentenabschläge verzichtet wird.

Wäre nicht auch, wie derzeit diskutiert, eine Stärkung der Betriebsrenten sinnvoll?

Diejenigen, die eine schlechte gesetzliche Rente haben, sind meist auch diejenigen, die nicht betrieblich oder privat vorsorgen konnten. Insofern helfen die Riester-Rente oder die Verbesserungen bei der betrieblichen Altersvorsorge nicht bei der Bekämpfung der Altersarmut. Diese kann nur durch eine ausreichende gesetzliche Rente verhindert werden. Insofern kann man diskutieren, ob die Steuermittel, die in den letzten Jahren zur Finanzierung von Riester und betrieblicher Vorsorge verwendet wurden, nicht besser bei der gesetzlichen Rentenversorgung aufgehoben wären.

Sie wollen also, dass Renten stärker durch Steuern finanziert werden?

Darüber ließe sich sicherlich streiten. Der Anteil der Steuern an den Rentenausgaben beträgt bereits ein Drittel. Dabei kommt es darauf an, dass mit den Steuermitteln jene Aufgaben sachgerecht finanziert werden, die der Allgemeinheit zugute kommen.

Welche wären das?

Es ist ein großer Fehler, dass die Mütterrente aus Beitragsmitteln finanziert wird. Sie sollte auf jeden Fall steuerfinanziert werden. Und auch Kompensationsmaßnahmen wie die Anhebung niedriger Renten sollten mit Steuermitteln finanziert werden.

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