Erste Rektorin
Frauen-Geschichte(n)
Die Ostthüringer Stadt Altenburg, die früher den Wettinern als Residenzstadt diente und heute vor allem mit dem sanierungsbedürftigen Schloss, mit dem Lindenau- Museum sowie als Skat- und Senfstadt Touristen anlockt, kann auch auf eine Liste interessanter Persönlichkeiten verweisen. Zu jenen, die hier ihre Wurzeln hatten oder hier wirkten, gehören Friedrich Arnold Brockhaus und Heinrich August Pierer, ebenfalls Lexikograf, der Komponist Johann Ludwig Krebs sowie der Astronomen Bernhard von Lindenau - und Lieselott Herforth. Doch während die anderen weit über Mitteldeutschland hinaus bis heue ein Begriff sind, ist die Physikerin nur in der Fachwelt unvergessen. Sie arbeitete zeitweise unter der Regie von Werner Heisenberg, vollbrachte herausragende Leistungen auf den Gebieten der technischen Isotopenanwendung, der Strahlenmesstechnik sowie der Dosimetrie und war sie die erste Frau, die eine deutsche Universität leitete. Viele ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse sind bis heute erste Wahl und Bestandteil der Lehre an deutschen Hochschulen und Universitäten.
Lieselott Herforth wurde am 10. September 1916 in Altenburg geboren, mitten im Ersten Weltkrieg. Ihr Vater war Schriftsteller und Verleger. Sie hingegen offenbarte früh ein starkes Interesse für die Naturwissenschaften. Nach dem Abitur studierte die junge Frau ab 1936 an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg Physik und Mathematik; unter vielen Männern eine Ausnahmefrau. Zunächst als Assistentin an der Hochschule tätig, wechselte sie 1942 wegen ihrer ungewöhnlichen Befähigung an das Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin Dahlem, das unter der Leitung von Werner Heisenberg stand. Die Promotion wurde ihr unter den Nazis jedoch verwehrt, diese konnte sie erst 1948 an der Technischen Universität in Berlin erlangen. 1953 habilitierte sich Lieselott Herforth an der Karl- Marx-Universität in Leipzig. Damit war sie die dritte Physikprofessorin in der DDR und die siebente in der deutschen Wissenschaftsgeschichte.
Zunächst arbeitete Lieselott Herforth als Dozentin für Strahlenphysik an der Universität in Leipzig. Dazu kam die wissenschaftliche Mitarbeit am Institut für angewandte Radioaktivität und 1957 die Berufung zur Professorin mit Lehrauftrag für die angewandte Radioaktivität an der Technischen Universität in Leuna- Merseburg. Ab 1960 wirkte sie dann an der TU in Dresden, wurde Direktorin des Institutes für Anwendung radioaktiver Isotope an der Fakultät für Mathematik. Sie stand als Frau nun in der ersten Reihe der Physiker.
Mehr noch, Lieselott Herforth wurde über den FDGB Mitglied der Volkskammer und fungierte ab 1965 für einige Jahre als Rektorin der TU Dresden. Die auch publizistisch fleißige Wissenschaftlerin erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Sie starb am 30. November 2010 im Alter von 94 Jahren in Elbflorenz.
Martin Stolzenau
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