Ein Sender am Abgrund

Freitags Wochentipp: »Verdammt verliebt auf Malle« auf Sat.1

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Seltsam genug, dass die ARD ihre Themenwoche Anfang November in dieser bewegten Zeit nicht der Migration widmet, sondern der Arbeit. Genauer: Deren Zukunft. Der Schwerpunkt wird folglich teils von einem Avatar moderiert, was in der Tat zukünftig klingt. Dann jedoch bloß die Gegenwart zu beschreiben, eingeführt mit Bremens »Tatort«, fortgesetzt durch ein Bankerdrama, durchdrungen von allerlei Sendungen zum Ist-Zustand der Werktätigkeit, ist so sonderbar wie der Umstand, dass für den Unterschichtenulk »Wir sind die Rosinskis« gleich drei Mitglieder der vielköpfigen Familie Thalbach engagiert wurden (Katharina, Anna, Nelly), die man allerdings nicht im Trio interviewen könne, weil - kein Scherz - die »Bild am Sonntag« ein »Vorkaufsrecht« habe, nach dem sich alle anderen Medien zu richten hätten.

Vor. Kaufs. Recht. Manche Journalisten sind eben gleicher. Das Schwesterblatt »Bild« demonstrierte in der vergangenen Woche eine ähnliche Chuzpe und stellte sich selber Fragen, die keiner Antwort bedürfen, sondern selbst Inhalt sind. In gewohnter Schützenhilfe fürs Privat-TV hat sie das »Jenke-Experiment« von RTL-Reporter Wilmsdorff, harte Drogen zu nehmen, so werbewirksam als »Skandal« auf die Titelseite gesetzt, dass es abends Topquoten setzte.

Gut, das Thema ist seit Wochen bekannt und in etwa so skandalös wie ein handelsüblicher Soap-Plot am Nachmittag; aber es ging ja auch gar nicht um Inhalt, sondern um Aufmerksamkeit.

Worin sich RTL kein Stück von Sat.1 unterscheidet. Dort nämlich läuft am Dienstag um 20.15 Uhr ein Film, dessen Titel ausreichend Auskunft über seine Intentionen gibt: »Verdammt verliebt auf Malle«. Es handelt vom Ballermannstar Gregor, dessen Tochter sich auf der Ferieninsel in den Schüler einer deutschen Schulklasse verliebt, was ihr der Papa sodann mit der zugehörigen Lehrerin nachmacht. Handlung fertig.

Das könnte man als typischen Mumpitz kommerzieller Gaga-Unterhaltung ignorieren, wäre Ulli Baumanns »Romantic Comedy« nicht so ein schleichwerbender Kundenbetrug. In 90 Minuten ist nämlich nichts romantisch, geschweige denn komisch, alles dient der Reklame für Originale wie Jürgen Drews oder Micky Krause und gibt sich daher wenig Mühe, auch nur im Ansatz handwerklich zu sein. Die ärmste Sau ist dabei der talentierte Stephan Luca, dessen muskulöse Schönheit längst nur noch Machos mit Herz zulässt, was an Stumpfsinn nur noch dadurch übertroffen wird, dass er einen Sänger spielt, der weder singen noch performen kann also selbst für Malle-Verhältnisse fehlbesetzt ist. Fazit: Ein Film fürs Sat.1-Marketing, das für die Werbepausen sicher passende Produkte von Sauf bis Brüll gefunden hat, um den Unsinn ringsum wenigstens betriebswirtschaftlich zu rechtfertigen. Ein Sender am Abgrund.

Sat.1, 20.9., 20.15 Uhr

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -