Die Waffen der FARC-Guerilla schweigen
Die Bewaffneten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens arbeiten an dem Übergang zu einer politischen Partei
Die zehnte wird die letzte sein. Wenn am 23. September planmäßig die achttägige Nationale Guerillakonferenz der FARC endet, wird die älteste und größte noch aktive Rebellengruppe Lateinamerikas Geschichte sein. Mehr als 200 Delegierte aller Kampfverbände der FARC und der Generalstab werden in der nur schwer zugänglichen Yarí-Ebene rund 500 Kilometer südlich der Hauptstadt Bogotá zusammenkommen, um die Vereinbarungen anzunehmen, die die Vertreter der Guerilla bei den Friedensgesprächen in Havanna mit der Regierung von 2012 bis 2016 ausgehandelt haben. Stimmen die Guerilleros zu, beschließen diese nicht nur die Umsetzung einer Reform der Agrar- und Drogenpolitik, Garantien zur politischen Teilhabe oder den Beginn einer Regelung zur Übergangsjustiz -, sondern auch das Ende der FARC als bewaffnete Organisation, die Abgabe ihrer Waffen und die Gründung einer neuen zivilen Partei, die sich in die rechtsstaatlichen Strukturen eingliedert. Damit endet die Geschichte der langlebigsten Rebellengruppe in der Historie Lateinamerikas und der Aufbau eines »stabilen und dauerhaften Friedens«, wie die Vereinbarung zwischen der FARC und der Regierung Santos offiziell heißt, kann beginnen.
Dass die Versammlung - die höchste Entscheidungsinstanz der FARC - zustimmen wird, gilt Beobachtern als sicher. »Intern haben die FARC die Perspektiven einer politischen Einigung mit dem Establishment seit vielen Jahren diskutiert«, sagt der Soziologe und Schriftsteller Alfredo Molano im Gespräch mit »nd«. Zudem waren alle ranghohen Kommandeure der FARC direkt an den Verhandlungen beteiligt, und obwohl die Einheiten mit insgesamt mehr als 8000 Rebellen und zahlreichen Milizionären im ganzen Land verteilt sind, scheinen die Kommandohierarchien zu funktionieren. Sich von diesen vertikalen Strukturen zu verabschieden, stelle nun die größte Herausforderung für die FARC dar, so Molano. »Mit dem Übergang zur politischen Partei muss intern auch die Entwicklung und Konsolidierung demokratischer Strukturen einhergehen. Fünf Jahrzehnte als bewaffnete Organisation im Untergrund haben Spuren hinterlassen.«
Die FARC müssen nun Grundsteine dafür legen, die Menschen in Kolumbien von sich zu überzeugen. Zwar zeichnet sich beim Volksentscheid über die Annahme der Friedensvereinbarungen Anfang Oktober laut aktuellen Umfragen eine deutliche Zustimmung für den Frieden ab, doch der Guerilla selbst stehen viele Kolumbianer sehr skeptisch gegenüber. Dazu haben nicht nur konservative Politiker und Teile der Medien beigetragen, die die FARC über Jahre als »Narco-Terroristen« verunglimpften, sondern auch die Guerilla selbst. Die Menschenrechtsverletzungen und massenhaften Entführungen haben dem Ansehen der Guerilleros schwer geschadet. In den vergangenen Tagen versuchte die FARC-Führung, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Bei einem Treffen mit Angehörigen von Opfern, die von den FARC ermordet wurden, baten sie um Entschuldigung für ihre Taten. Doch nicht nur die Guerilla, fast die gesamte gesellschaftliche und parlamentarische Linke wirbt für die Annahme der Vereinbarungen beim Volksentscheid. Sie hofft, dass der Frieden nicht nur zum Schweigen der Waffen, sondern ganz allgemein zu einer Öffnung der kolumbianischen Demokratie führt und grundlegende soziale und politische Veränderungen möglich werden.
Dass genau das erreicht wird, daran hat zuletzt die bald einzige Guerilla Kolumbiens, das nationale Befreiungsheer (ELN), recht deutliche Zweifel angemeldet. Man respektiere die erreichten Vereinbarungen des Friedensprozesses mit der FARC, aber teile ihre Essenz nicht, sagte deren Oberkommandierender Nicolás Bautista in einer Videobotschaft. »Wir können nicht den Willen der Regierung erkennen, die politischen und sozialen Ursachen des bewaffneten Konflikts zu beseitigen«, hieß es. Kritikpunkte des ELN sind die mangelnde Beteiligung der Zivilbevölkerung an den Gesprächen und die Aufrechterhaltung des primär auf rücksichtsloser Rohstoffausbeutung zielenden Wirtschaftsmodells. Zwecks Demonstration ihrer militärischen Stärke verhängte das ELN diese Woche in einem ihrer Kerngebiete im Nordosten des Landes eine mehrtägige Ausgangsperre. Aus verschiedenen Landesregionen melden Medien zudem, dass ELN-Kämpfer versuchten, die Kontrolle in Gebieten zu übernehmen, die bislang von den FARC kontrolliert wurden. Der Beginn der Friedensgespräche mit dem ELN scheitert aktuell daran, dass die Regierung fordert, die Rebellen müssten Entführungen einstellen. Ein Grund, den die »Elenos« für vorgeschoben halten.
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