Gebietsreform: Rechtliche Zweifel an Volksbegehren
Thüringer Linkspartei: Prüfung per Verfassung vorgeschrieben / Hennig-Wellsow: Würden Finanz-Tabu streichen - aber Zwei-Drittel-Mehrheit nötig
Berlin. In Thüringen wird weiter über das Volksbegehren gegen die Gebietsreform gestritten - die Linkspartei von Ministerpräsident Bodo Ramelow hat jetzt Berichte zurückgewiesen, Rot-Rot-Grün in Erfurt versuche, die Bürgermitbestimmung zu stoppen. »Wir hegen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Initiative«, hatte der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Matthias Hey, der »Thüringer Allgemeinen« gegenüber erklärt. »Darum ist es richtig, diese Zweifel vom Verfassungsgericht ausräumen oder bestätigen zu lassen.« Grünen-Fraktionschef Dirk Adams sagte: »Wir werden uns diese Entscheidung nicht leicht machen.«
Bisher dürfen Volksbegehren nicht in Finanzentscheidungen des Landtages eingreifen - »egal, ob es nur um einen Cent, eine Milliarde oder ein Plus für den Thüringer Landeshaushalt geht«, wie es Linksfraktionschefin Susanne Henning-Wellsow formuliert. Dies wäre aber aus Sicht von Koalitionsvertretern hier der Fall. Artikel 82 der Landesverfassung stellt klar, dass »Volksbegehren zum Landeshaushalt, zu Dienst und Versorgungsbezügen, Abgaben und Personalentscheidungen (...) unzulässig« sind. Und Artikel 82 macht die Pflicht von Land und Parlament klar, im Falle eines möglichen Verstoßes gegen geltendes Recht durch ein Volksbegehren, den Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung anzurufen.
»Ein unabhängiges Gericht wird entscheiden, ob das Volksbegehren durchgeführt werden kann, nicht die Thüringer Landesregierung, nicht der Landtag oder Rot-Rot-Grün«, sagte Hennig-Wellsow. Um künftig doch Volksbegehren wie zur diskutierten Gebietsreform zu ermöglichen, treten die Linkspartei und auch das »Bündnis für mehr Demokratie« dafür ein, dieses Finanz-Tabu bei Volksbegehren in der Verfassung zu streichen. Man streite also in Wahrheit dafür, »dass über Volksbegehren in Zukunft auch Entscheidungen gegen die Regierung möglich werden«. Eine Verfassungsänderung brauche eine Zwei-Drittel-Mehrheit und sei so auf eine Unterstützung der CDU angewiesen, so die Linkenpolitikerin. »Wir können uns auch vorstellen, über eine geänderte Verfassung bei nächsten Landtagswahl zeitgleich einen Volksentscheid durchzuführen, um jedem und jeder die Möglichkeit zu geben, mitzuentscheiden, wie wir unsere Werte in einer Verfassung bestimmen«, sagte Hennig-Wellsow.
Gegner der Gebietsreform hatten Mitte August mit einer Unterschriftensammlung begonnen, um ein Volksbegehren einleiten zu können. Initiiert wird es vom Verein »Selbstverwaltung für Thüringen«. Bislang seien bereits 11.000 Unterschriften gesammelt worden, schreibt das Blatt unter Berufung auf die Initiative. Den Angaben zufolge fordert vor allem Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) den Rechtsweg. Die Regierung stehe in der Pflicht, das Gericht anzurufen, falls sie das Begehren für rechtlich unzulässig hält, sagte er der Zeitung. nd/Agenturen
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