Zweifel an Belästigung von Mädchen in Köthen
Minderjährige Asylsuchende widersprechen Vorwurf angeblicher sexueller Belästigung / Jugendliche hätten Geflüchtete bedrängt
Berlin. Der angebliche Überfall von zwei minderjährigen, unbegleiteten Geflüchteten auf zwei 15-jährige Mädchen in Köthen (Sachsen-Anhalt) am Freitagabend sorgt weiterhin für Wirbel. Die beiden mutmaßlichen Opfer hatten gegenüber der Polizei behauptet, sie seien von den zwei jungen Afghanen im Friedenspark sexuell belästigt worden. Anschließend habe einer der Asylsuchenden eines der Mädchen verletzt. Mehrere Personen hätten den Vorfall bemerkt und seien den Mädchen zur Hilfe gekommen. dabei sei ein 20-Jähriger von einem der Geflüchteten mit einer zerbrochenen Flasche am Arm verletzt worden.
Auf einer Pressekonferenz des »Welcome Bündnis Köthen« wurde der angebliche Tathergang am Sonntag nun aus der Sicht der beiden Beschuldigten geschildert. Ihrer Aussage nach habe sich der Vorfall völlig anders abgespielt, wie Robert Fietzke, Jugendkoordinator der LINKEN in Sachsen-Anhalt, gegenüber »nd« erzählt, der an dem Gespräch teilnahm, selbst aber nicht Teil der Initiative ist.
Aus Perspektive der beiden Flüchtlingsjungen seien diese durch den Park gegangen und dort von einem Jungen und einem Mädchen angesprochen worden. In Folge des Gesprächs sollen die zwei Asylsuchenden beleidigt worden sein. So hätten ihnen die beiden Deutschen gesagt, dass sie nicht hierher gehörten. Doch damit nicht genug: Über ihre Handys sollen weitere Jugendliche alarmiert worden sein, die sich kurze Zeit später bedrohlich vor den zwei Geflüchteten aufbauten und diese bedrängten.
Wie es heißt, seien die beiden Afghanen in Panik geraten. Die Situation eskalierte, von Seiten der deutschen Jugendlichen sei Pfefferspray zum Einsatz gekommen, die beiden Flüchtlingsjungen hätten aus Angst um sich geschlagen, wodurch eines der Mädchen, die angeblich belästigt worden sein soll, verletzt wurde.
Als »gravierend problematisch« bezeichnete es Fietzke, dass das Verhör der beiden Geflüchteten ohne Dolmetscher und einem erziehungsberechtigten Vertreter stattgefunden hatte. Gegenüber der »Mitteldeutschen Zeitung« räumte ein Sprecher der Polizei Dessau ein, dass entsprechende Kräfte fehlen würden. Alle Beteiligten müssten zu dem Vorfall noch einmal ausführlich befragt werden.
Ebenfalls auffällig: Wie Fietzke von der Pressekonferenz berichtet, sollen laut dem Welcome Bündnis mehrere der Jugendlichen, die – je nach Sichtweise – entweder den Mädchen geholfen hatten oder die Geflüchteten bedrängten, am Samstagabend bei einem illegalen Aufmarsch von Neonazis in Köthen gesichtet worden sein. Laut Medienberichten war der rechte Aufmarsch eskaliert. Es sei zu Angriffen auf die Polizisten und Sachbeschädigungen an Dienstfahrzeugen gekommen, teilte die zuständige Polizeidirektion am Sonntag mit.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.