Ewiges Derby, ewiger Hass
Das Fußballspiel zwischen Partizan und Roter Stern Belgrad ist beängstigend und beeindruckend zugleich
Ein Traumtor in der 89. Minute entscheidet das 152. Belgrader Stadtderby. Der spektakuläre Seitfallzieher des brasilianischen Mittelfeldspielers Leonardo sichert Partizan den Heimsieg gegen Roter Stern in der ersten serbischen Liga. Roter Stern bleibt in der Tabelle auf Platz zwei trotzdem vor dem Stadtrivalen, Partizan klettert auf Rang vier. Sportlich gibt es dazu nicht mehr zu berichten. Nächste Woche gastiert Partizan beim FK Metalac, Roter Stern empfängt Tabellenführer FK Vojvodina. Fußballalltag in der international längst nicht mehr konkurrenzfähigen Liga. Grauer Fußballalltag. Eine Liga, für die sich außerhalb Serbiens kaum noch jemand interessiert.
Selbst die Fußballfans im eigenen Land schauen sich mittlerweile häufiger internationale Spiele im Fernsehen an als beim eigenen Verein im Stadion vorbei. Fast die Hälfte aller Mannschaften hatte in der vergangenen Saison nur einen dreistelligen Zuschauerschnitt, Roter Stern als einziges Team mit 16 143 einen fünfstelligen. Fußballbegeisterung sieht anders aus.
Bis auf eben jenes Spiel: Das »ewige Derby«, wie es häufig bezeichnet wird. Natürlich gibt es andere große Duelle in der Fußballwelt: das »Old Firm« etwa zwischen Celtic und den Glasgow Rangers, der »Clásico« zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona oder die Stadtderbys in Mailand und Rom. Sie alle garantieren Unterhaltung und hohe Einschaltquoten - das »ewige Derby« hat mit ihnen dennoch nicht viel gemeinsam. Woran das liegt, ist mit einem Wort zu erklären: Fanatismus. Diese Auslegung des Fandaseins ist bei vielen heute unbeliebt, und doch nicht außer Acht zu lassen, will man dem Wesen dieses Spiels etwas näherkommen.
Auch wer mit dieser Fußballpartie nichts zu tun haben möchte, kommt am Spieltag in Belgrad nicht daran vorbei. An allen Ecken der serbischen Hauptstadt, vor allem aber an belebten Orten sind Polizisten anzutreffen: je nach Nähe zum Stadion mal lässig hinter ihren Schutzschildern wartend oder mit schwerer Ausrüstung angespannt die Lage sondierend. In jedem Fall sind die Polizisten Teil dieser serbischen Variante des Circus Maximus und nicht weniger einschüchternd als die weiteren Akteure.
In diesem Jahr dürften es noch mal einige Polizisten mehr gewesen sein, da am Sonntag nach dem Derby der schwul-lesbische »Belgrad Pride« stattfand. Etwa 5000 Beamte sorgten dafür, dass die Innenstadt nicht erneut zerlegt wurde und TeilnehmerInnen diesmal nicht angegriffen wurden. Einer der Organisatoren der Demo wurde erst vor einigen Wochen aufgrund seines Eintretens für LGBT-Rechte verprügelt. Die schwulenfeindlichen Angriffe gehen häufig von Fußballfans aus den Kurven von Partizan und Roter Stern aus. In diesem Punkt sind sich die verfeindeten Fans einig. Die Wunschvorstellung des Barkeepers und Partizan-Ultras Marko, dass es am Sonntag noch »heißer« werde als beim Derby am Vortag erfüllte sich glücklicherweise nicht. Das verhinderte vor allem die Absperrung der fast kompletten Innenstadt.
Am Sonnabend zuvor war der Hass aber ungefiltert von den Tribünen zu hören und sehen gewesen. Da sangen die »Delije«, die Ultras von Roter Stern, dass »die Schwuchteln umgebracht werden müssten« (»Ubi pedera«). Interessanterweise wollten auch Partizanfans dieses Lied anstimmen, wurden aber durch böse Blicke der Umstehenden wieder davon abgebracht. Als die Spieler von Roter Stern nach dem Abpfiff den Platz verlassen wollten, mussten manche von ihnen unter Beschimpfungen und dem Hagel von Wurfgeschossen in den rettenden Spielertunnel flüchten. Da dieser im Stadion Partizana direkt vor einem Block der Heimfans steht, war dies bei der Rivalität der Klubs sogar zu erwarten gewesen.
Nur noch mit tumbem Rassismus ist hingegen erklärbar, dass sich farbige Spieler Affenlaute anhören mussten, obwohl gerade ein Brasilianer das Siegtor geschossen oder der dunkelhäutige Partizan-Spieler Everton Luiz im April zum umjubelten Ausgleich in der 94. Minute getroffen hatte.
All dies überdeckt das positiv Beeindruckende: Die fast durchgängig ohrenbetäubenden Gesänge, die hohe Mitmachquote unter den Zuschauern, die kreativen Aktionen, wie dem riesigen Partizan-Transparent, das lange das Logo vom Roten Stern auf der Anzeigetafel verdeckt oder der beim Fußballfan Gänsehaut auslösende Anblick, wenn sich ein Stadion in ein Meer von bengalischen Fackeln verwandelt.
Das Belgrad-Derby ist vorbei und die Widersprüche bleiben. Man muss dieses Spiel nicht mögen, aber vielleicht doch einmal im Leben gesehen und erlebt haben.
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