Angriff auf Hilfskonvoi bei Aleppo

Überfall geschah trotz Sicherheitsgarantien / UN stoppen Hilfslieferungen

  • Karin Leukefeld, Beirut
  • Lesedauer: 3 Min.

Mehr als 20 Personen, alle Zivilisten bzw. Mitarbeiter des syrischen Roten Halbmondes, sind bei einem Angriff auf einen Hilfskonvoi getötet worden. Die Lastwagen sollen nördlich und westlich der Millionenstadt Aleppo gestanden haben. Dies bestätigten am Dienstag übereinstimmend betroffene Organisationen, darunter das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), die Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften und der Syrisch-Arabische Rote Halbmond (SARC). Der Angriff auf den Konvoi der UNO und des SARC sei geschehen, während die Hilfsgüter abgeladen wurden. Ein Großteil der Lebensmittel und medizinische Güter seien zerstört worden, ebenso mindestens 18 der 31 Lkw.

Über die Frage, wer dieses Verbrechen verübte - die UNO stufte es so ein - wird indes heftig gestritten.

Ein zwischen Russland und den USA ausgehandeltes Waffenstillstandsabkommen war am Montagabend von der Syrischen Armee für beendet erklärt worden, unmittelbar darauf hatten vor allem im Umland von Aleppo erneut Kämpfe eingesetzt. Symbolisch für die mangelnde Bereitschaft, sich auf einen Waffenstillstand und politische Verhandlungen einzulassen, war dabei die Zerstörung einer Überwachungskamera durch regierungsfeindliche Gruppen. Die Kamera war von der russischen Armee montiert worden und hatte per Live-Stream - im Internet sichtbar - das Geschehen in einer Kampfzone am Rande Aleppos übertragen.

Während US-Diplomaten die syrische Armee und den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad persönlich für die neue Gewalt verantwortlich machten und Russland vorwarfen, »Assad nicht im Griff« zu haben, beschwerten sich russische Diplomaten bei Washington, sich gegenüber den bewaffneten Gruppen, die von den USA, der Türkei, Westeuropa und den Golfstaaten unterstützt werden, nicht durchsetzen zu können.

Aufmerksamkeit erregte in hiesigen Medien, dass Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärt hatte, der Waffenstillstand könne fortgesetzt werden, »wenn die Terroristen aufhören würden, die syrische Armee und zivile Wohngebiete« anzugreifen und wenn die US-Armee nicht noch einmal wie am Sonnabend »versehentlich« eine Stellung der syrischen Armee bombardiere.

Und nun die Angriffe auf die Hilfskonvois. Das IKRK, das in Syrien eng mit SARC kooperiert, bestätigte den Tod von Omar Barakat, dem Leiter einer lokalen SARC-Niederlassung bei dem Angriff. Dies war ein »Angriff auf die Menschlichkeit«, hieß es in einer in Damaskus verbreiteten gemeinsamen IKRK/SARC-Erklärung. Die Opfer seien keine Kombattanten gewesen. »Es ist völlig unakzeptabel, dass unsere Mitarbeiter und Freiwillige einen so hohen Preis wegen der anhaltenden Kämpfe bezahlen müssen«, sagte SARC-Präsident Abdulrahman Attar. Der Schutz der humanitären Helfer sei unabdingbar, hieß es weiter: »Wir sind nicht Teil dieses Konflikts.« Seit Beginn des Krieges 2011 wurden in Syrien 54 SARC-Mitarbeiter und Freiwillige getötet, während sie - deutlich als humanitäre Helfer gekennzeichnet - im Einsatz waren. Noch am Wochenende waren im Umland von Damaskus und der Großstadt Homs große Hilfskonvois unterwegs, um hilfsbedürftige Menschen zu versorgen. Einer davon, der von Belarus finanziert worden war, stand auch vor Aleppo.

Nach dem Luftangriff der US-geführten Allianz gegen den Islamischen Staat am Samstag in Deir Ezzor hatte die Gewalt allerdings wieder deutlich zugenommen. Diese Angriffe der US-Allianz seien »wie ein Startsignal« für die bewaffnete Opposition gewesen, sagte Marie Dibs von der Kommunistischen Partei Libanons in Beirut gegenüber der Autorin.

Jedenfalls glaubt hier kaum jemand an ein Versehen, wer immer den Angriff auch verübt hat. Man verweist dabei darauf, dass alle relevanten Konfliktparteien über den Konvoi mit Lebensmitteln, Kleidung, Medizin und anderen humanitären Gütern für etwa 80 000 bedürftige Menschen informiert waren. Die Fahrzeuge seien klar als humanitärer Konvoi gekennzeichnet gewesen. Laut IKRK hätten alle Konfliktparteien Sicherheitsgarantien für eine freie Fahrt gegeben.

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