Auswegslose Situation?

Muriel Asseburg und Jan Busse über Hintergründe des Nahostkonflikts

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 3 Min.

Unter der Osmanischen Herrschaft lebten sie im »Heiligen Land« zwar nicht frei, aber doch weitgehend friedlich zusammen - Araber und Juden. Nach dem Ersten Weltkrieg begann die britische Mandatsherrschaft eine vom Völkerbund legitimierte Art von »beschützendem« Kolonialismus, der mit der zunehmenden Einwanderung von Juden nach Palästina aufgebrochen wurde, vor allem mit der Flucht von Juden aus Nazideutschland und der »Rückkehr« ins »Gelobte Land« nach 1945. Die mit der Gründung des Staates Israel verbundene Vertreibung der Palästinenser und die andauernden blutigen Auseinandersetzungen fasst man seit 70 Jahren unter dem Begriff »Nahostkonflikt« zusammen.

Das Knäuel der Interessenkonflikte in der Region versteht hierzulande kaum jemand. Die Nahostexpertin der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik Muriel Asseburg und der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität der Bundeswehr München Jan Busse wollen daher aufklären.

Zunächst wird die historische Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten skizziert, von Kriegen und Verhandlungen berichtet, die immer wieder in Sackgassen führten. Berichtet wird über die rivalisierenden Palästinensergruppen wie Hamas und PLO im Westjordanland und in Gaza, die seit Jahren aus Angst vor der eigenen Bevölkerung demokratische Wahlen verhindern.

Sodann untersuchen die Autoren diverse Positionen und Lösungsansätze im Laufe der Jahrzehnte, bilaterale und multilaterale Verträge, UN-Resolutionen und den sogenannten Oslo-Prozess sowie die wechselnden Haltungen der unmittelbaren Konfliktparteien, der EU und der Sowjetunion bzw. Russlands. Asseburg und Busse diskutieren die Folgen des »Arabischen Frühlings«, die Geschehnisse in Ägypten, Irak und Syrien. Hegemonialbestrebungen von Saudi Arabien und Iran, der Türkei und Ägypten führten zu unterschiedlichen Annäherungen und Entfremdungen. Hauptprobleme des Nahostkonflikts bleiben die Millionen palästinensischer Flüchtlinge, die von beiden Seiten beanspruchte »heilige Stadt« Jerusalem und der israelische Siedlungsbau im Westjordangebiet. Umstritten sind die Zweistaaten- und die de facto bestehende Ein-Staat-Realität, die durch die politische, militärische und wirtschaftliche Dominanz Israels geprägt ist. Modelle eines binationalen Staates oder einer Konföderation haben nach Auffassung der Autoren nur geringe Chancen auf Verwirklichung. Asseburg und Busse schätzen die Situation als verfahren und ausweglos ein. Nicht nur, weil die beteiligten Regierungen kein Interesse an einer Lösung des Konfliktes zeigen, sondern vor allem, weil jene die Bevölkerungen in Israel und den Palästinensergebieten entsprechend desillusioniert haben.

Das Buch zeichnet sich durch seine knappe und klare Darstellung aus. Die Autoren vermeiden einseitige Parteinahme ebenso wie falsche political correctness, die den völkerrechtlichen Normen und humanitären Anforderungen nicht gerecht wird. Dieses Buch ist zum Verständnis der komplizierten Zusammenhänge im Nahen Osten unerlässlich und trotz des schmalen Umfangs erstaunlich detailliert und faktenreich. Eine Zeittafel, eine Tabelle zur demografischen Entwicklung in der Region sowie Karten und eine Auswahlbibliografie ergänzen das Werk im Westentaschenformat.

Muriel Asseburg und Jan Busse: Der Nahostkonflikt. Geschichte, Positionen, Perspektiven. C.H. Beck, München 2016. 128 S., br., 8,95 €.

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