Aufmarsch zur Entscheidung

Russische Experten erwarten in Aleppo den Wendepunkt des Krieges in Syrien

  • Elke Windisch, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

Kampfjets flogen erneut Dutzende Angriffe auf Rebellengebiete der umkämpften syrischen Stadt Aleppo, wurde am Montag berichtet. Es habe mehrere Tote und Verletzte gegeben. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte Washingtons UN-Botschafterin Samantha Power zuvor von »Barbarei« gesprochen. Statt nach Frieden zu streben, führten »Russland und Assad« Krieg. Sie forderte Beweise dafür, dass es Moskau ernst sei mit einer friedliche Beilegung des Syrien-Konflikts.

Die Sprecherin des russischen Außenamts, Maria Sacharowa, schlug umgehend zurück. »Wer von Russland Beweise für seinen Friedenswillen fordert, soll erst einmal selbst beweisen, dass er kein Aggressor in Ländern der Region ist«, sagte sie laut Interfax. Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin wurde mit dem Hinweis zitiert, dass auf dem Territorium Syriens Hunderte bewaffnete Gruppen aktiv seien. »Alle, die Lust haben, bombardieren das Staatsgebiet«, klagte er. Syrien Frieden zu bringen sei eine fast unlösbare Aufgabe.

Die neuerliche Eskalation der Gewalt nach dem Scheitern der von Russland und den USA gemeinsam erzwungenen Waffenruhe deute darauf hin, dass Präsident Baschar al-Assad und dessen Paten in Moskau der Auffassung seien, den bereits fünfeinhalb Jahre tobenden Krieg, der bisher über 300 000 Menschenleben forderte, militärisch gewinnen zu können, glauben kritische russische Militärexperten.

Aleppo sei der strategisch wichtigste Frontabschnitt, die Eroberung der Stadt könnte zum Wendepunkt im Bürgerkrieg werden. Das wisse auch die westliche Anti-Terror-Koalition. Sowohl sie als auch al-Assad und das mit ihm verbündete Russland würden daher ihre militärische Präsenz massiv ausweiten. Zwar hatte Präsident Wladimir Putin im Februar überraschend den Rückzug des russischen Hauptkontingents angekündigt, sich dabei jedoch die Option offen gelassen, im Bedarfsfalle nicht nur den Status quo wiederherzustellen, sondern das Kontingent aufzustocken. Dieser Bedarfsfall ist nun offenbar eingetreten.

Die in der Hauptstadt erscheinende »Nesawissimaja Gaseta« hat die kürzlich von der Zentralen Wahlkommission in Moskau veröffentlichten Daten zur Beteiligung an den Dumawahlen vom 18. September ausgewertet. Demzufolge haben allein auf der russischen Luftwaffenbasis Cheimin über 4000 Soldaten abgestimmt. Das sind erheblich mehr, als Moskau nach eigener offizieller Darstellung auf dem Höhepunkt der Luftoperation in Syrien im Herbst 2015 insgesamt vor Ort hatte.

Beeindruckend ist auch Moskaus Marinepräsenz. Verteidigungsminister Sergei Schoigu sprach von derzeit sechs Kampfschiffen und drei, vier Versorgungsschiffen vor der syrischen Küste. Allein auf dem schweren Flugzeugträger »Admiral Kusnezow« seien 20 Jagdbomber unterschiedlichen Typs und 15 Kampfhubschrauber stationiert. Der Kreuzer sei zudem mit hochmodernen Luftabwehrsystemen, Raketenwerfern und Systemen bestückt, die die Elektronik des Gegners außer Gefecht setzen können.

Die »Admiral Kusnezow« ist Russlands bisher einziger Flugzeugträger. Sie wurde schon 1991 in Dienst gestellt und nahm an zahlreichen Manövern teil. Jetzt wird sie erstmals unter realen Gefechtsbedingungen getestet. Eigens dazu wurde sie aus der Nordmeerflotte ausgegliedert. Wie deren Ex-Oberkommandierender Wjatscheslaw Popow Medien sagte, solle die »Admiral Kusnezow« im östlichen Mittelmeer »vielfältige Aufgaben« erfüllen: Raketenschläge gegen ausgewählte Ziele, Aufklärung und Schutz vor U-Boot-Angriffen. Die Terrormilizen - Islamischer Staat und Konsorten - verfügen über keine U-Boot-Flotte. Doch je stärker Russland im östlichen Mittelmeer präsent ist, glaubt der Admiral a.D., desto größer seien die Chancen für Frieden im chronisch instabilen und unruhigen Nahen Osten.

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