Fraktionsvize: Linke braucht wieder mehr Klassenpolitik
Korte fordert »neuen Aufbruch« und »radikalere Analyse«: Partei soll Brücken zwischen Arbeitermilieus und progressiven Mittelschichten schlagen
Berlin. Linksfraktionsvize Jan Korte hat seine Partei aufgefordert, »radikaler in der Analyse« und »praktischer im Tun« zu werden. Die Linke brauche einen »neuen Aufbruch«, schreibt Korte in einem jetzt veröffentlichten Papier. Dazu gehörten »eine geschichtsbewusste Erneuerung unserer Sprache, Analyse, Kultur und der Art zu kämpfen«, schreibt der Bundestagsabgeordnete.
Man könne die Frage nach den Gründen dafür, dass die Partei »seit 2010 unterm Strich massiv an Einfluss verloren« habe, nicht beantworten, »wenn wir zum einen eine fehlende Strategie durch Moralisierung ersetzen oder zum anderen einzelne Teile des Ressentiments versuchen zu adaptieren«, so Korte mit Blick auf Stimmenverluste insbesondere in den Flächenländern. Diese Wähler dürfe man »nicht einfach abschreiben, sie gar verachten«, man müsse vielmehr »darum kämpfen, sie zurückzugewinnen – ohne den Weg zu gehen, antidemokratische Standpunkte zu übernehmen«. Die Universalität der Menschenrechte und die Würde jedes Einzelnen sind nicht verhandelbar, weil wir sonst keine Linken mehr sind, so Korte, der seinen Wahlkreis in Sachsen-Anhalt hat.
Der Linkenpolitiker verwies auch auf die sozialen und ökonomischen Gründe für die grassierende Verunsicherung. »Nur wenn der soziale Abriss analysiert und verstanden wird, was er mit Menschen macht, kann man die derzeitige Situation begreifen.« Er halte es für »erforderlich, nochmals genau zu beschreiben, welche gesellschaftliche Zerstörungskraft die Agenda 2010 und die fortschreitende neoliberale Form der Globalisierung hatte und hat«. Dies sei Voraussetzung dafür, zu verstehen, »warum die Linkspartei es nicht mehr ausreichend schafft, den von dieser Entwicklung Betroffenen eine Stimme zu geben«. Kortes These: Dies habe »viel mit der Art und Weise zu tun, wie wir Politik machen, wie wir sprechen. Es hat etwas damit zu tun, an Alltagstauglichkeit oder auch Stammtischfähigkeit eingebüßt zu haben. Zum Stammtisch muss man zunächst einmal eingeladen werden und man muss in der Lage sein, auf Grundlage des Alltagsverstandes zu diskutieren, zu reden, zuzuhören und dann eben auch gegenzuhalten.«
Korte ruft seine Partei dazu auf, »wieder mehr Klassenanalyse in die Strategie der Linken zu bringen«. Dabei sollten alte Fehler etwa eine antiintellektuelle Attitüde vermieden werden. Zudem gehe es nun darum, über strategische Neuansätze nachzudenken - etwa darüber, »welche Wege wir bei sinkenden Mitgliederzahlen in den ländlichen Regionen als Partei gehen können. Vielleicht brauchen wir in Zukunft gar keine tausendseitigen Landtagswahlprogramme. Vielleicht ist eine Regionalisierung viel näher an den Leuten«. Die Probleme vor Ort seien oft von Landkreis zu Landkreis unterschiedlich. Die Linkspartei müsse »zielgenauer werden und verschiedene Ansprachen finden«.
Mit Blick auf die Wahlergebnisse von Berlin, wo die Linkspartei deutlich zulegen konnte, plädiert Korte dafür, die unterschiedlichen Lebensrealitäten und Ansichten der potenziellen Linken-Anhänger stärker zur Kenntnis zu nehmen. In der Hauptstadt habe die Partei mit einer klaren Haltung in der Flüchtlingspolitik gepunktet und neue Stimmen gewonnen. Zugleich werde man von Menschen gewählt, die vor allem wegen sozialer Probleme für die Linkspartei stimmten. Man vertrete Menschen, »die im Alltag nicht zusammenkommen: Weil sie in unterschiedlichen Stadtteilen wohnen, kulturell unterschiedlich sind etc. Dies anzuerkennen und zu schauen, wo können dennoch perspektivisch Schnittmengen eines gemeinsamen Engagements liegen, ist schwierig, dauert lange, ist aber sinnvoll«, so Korte. Erfolgreiche Arbeiterparteien hätten genau dies geschafft: »Vertretung der abhängig Beschäftigten, der Ausgegrenzten und gleichzeitig Kommunikation und Austausch mit Intellektuellen und der akademischen Mittelschicht.«
Dabei warnte Korte, vor dem Beschreiten falsche Pfade. Es dürfe »kein Zurück, keinen Bezug auf die Nation, keinen Rabatt bei der Menschenwürde, keine Arbeitertümelei und keine Vernachlässigung von Konflikten jenseits der Lohnarbeit« geben. Die Linkspartei müsse sich eine Politik auf die Fahnen schreiben, »die wieder die kleinen Träume der Menschen in den Mittelpunkt stellt«. Eine Verbindung »zwischen denen, die für Minderheitenrechte wacker kämpfen, und denen, die versuchen, ökonomisch und würdevoll durch das Leben zu kommen«, sei zwar schwierig herzustellen, der Weg dorthin lang. »Aber eine Linke, die beides gleichzeitig und gleich vehement macht, ist auf dem richtigen Weg«, so Korte.
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