Die Bundesregierung sorgte sich letzte Woche. Der erstarkende rechte Geist in der Gesellschaft würde den Aufschwung aufs Spiel setzen. Nun muss man ja zunächst mal fragen: Welcher Aufschwung denn? Dass so viele Bürger ins Fahrwasser von AfD und Pegida geraten, hat ja gerade damit zu tun, dass sie nicht aufschwingen, d.h. nicht teilhaben können, daher wirtschaftlich benachteiligt sind. Und als zweite Frage drängt sich auf: Wieso sorgt man sich aufgrund eines solchen kontraproduktiven Verhaltens? Nicht nur die Bundesregierung, auch Zeitungen und Bürger äußern sich diesbezüglich besorgt. Sie begreifen einfach nicht, wie man in einer ohnehin miesen Konstellation etwas tut, was die Lage verschärft und nicht etwa entspannt. Dabei hat so ein schädliches Verhalten doch mittlerweile Tradition.
Mit Giften kurieren: Mensch, das klingt doch wie Neoliberalismus. So macht der es jedenfalls seit Jahrzehnten. Seine Erfüllungsgehilfen stellten sich von jeher vor die Objektive und erklärten uns allen, was falsch läuft im Staat. Und nach der Analyse kreierten sie Rezepte. Wenn zum Beispiel die Binnennachfrage sank, weil die Menschen immer weniger Geld in der Tasche hatten, um noch anständig einkaufen zu können, was präsentierte man uns als Ausweg aus der Misere? Stagnierende Löhne, sinkende Sozialausgaben, Rentenzurückhaltung. Das war natürlich kontraproduktiv, denn dann hatten die Leute noch weniger im Geldbeutel und kauften noch weniger ein, womit der nächste kluge Lösungsversuch schon programmiert war: Noch mehr sparen. Oder noch ein Beispiel: Wachsenden Arbeitslosenzahlen begegnete man mit dem Abbau von Kündigungsschutz. Und nebenbei setzte man noch Kampagnen gegen gewerkschaftlichen Ungeist. Das alles forcierte natürlich nur die Arbeitslosigkeit, war demnach auch dem vorgegebenen Ziel diametral entgegengesetzt, aber der Neoliberale kann halt nicht aus seiner Haut.
Die schwäbische Hausfrau, die Schäuble und Merkel so gerne zitierten und als Vorbild für den Staatshaushalt anbrachten, diese ganze Haltung hinter dieser Metapher, die strotzt nur so von kontraproduktiven Umtrieben. Wenn ich als Privatperson mal einen finanziellen Engpass habe und so wirtschafte wie die genannte Hausfrau aus Süddeutschland, dann kann ich mich erholen. Da hilft betriebswirtschaftliches Denken. In einer Volkswirtschaft bewirkt es das Gegenteil. Wenn bestimmte Gruppen knapp bei Kasse sind und man ihnen Sparen verordnet, erholt sich die Wirtschaft nie. In Griechenland kann man das nach wie vor unschön beobachten. Der betriebswirtschaftliche Ansatz bricht jeder Volkswirtschaft das Genick. Ihn anzubringen ist kein lösungsorientiertes Vorgehen, sondern kontraproduktives Kalkül. Man eskaliert, wo dringende ökonomische Deeskalation notwendig wäre.
Und jetzt eben diese Leute, die für sich den Rechtsextremismus und die AfD entdecken und mit den sich daraus ergebenden Verhaltensauffälligkeiten ihre wirtschaftliche Misere nicht etwa aufheben, sondern wahrscheinlich eher noch verstetigen. Die also das Gegenteil von dem bewirken, was in ihrer Lage vielleicht notwendig wäre. Da muss man feststellen: Vom Neoliberalismus lernen heißt kontraproduktives Reagieren lernen. Diese Menschen haben doch genau das über so viele Jahre beigebracht bekommen in diesem Wirtschaftssystem. Man hat ihnen Tag für Tag nahegelegt, dass man Problemen nicht etwa mit Umdenken beikommen sollte, sondern mit sturer Verschärfung der verinnerlichten Prämissen, die zum manifesten Problem führen. Lösungsorientierte und ergebnisoffene Maßnahmen ergriff man jedenfalls nicht. Genau die hätte man gebraucht in all der Zeit. Und die müssten all diejenigen, die nun so tun, als sei es eine Alternative für Deutschland, eine Partei dieses Namens zu wählen, jetzt mal wagen. Aber wenn man das nie gelernt hat in diesem System, dann handelt man halt eben weiterhin eskalierend, so wie man abgerichtet wurde. Dann sagt man »Weiter so!«, wie es die Apologeten stets zuvor taten.
Der besorgte Bürger, er ist halt auch nur so ein mit eigenem Verstand unterversorgter Bürger, das Fabrikat eines Systems, das immer das Gegenteil dessen tat, was notwendig gewesen wäre. Sich jetzt zu wundern, weil diese Leute exakt die Verhaltensweisen anwenden, die man ihnen beibrachte, das ist auch keine Alternative für Deutschland. Genauso wenig wie der Neoliberalismus.
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