Betriebsrenten für (fast) alle

Bundesregierung will Zahl der Nutznießer erhöhen - LINKE und DGB kritisieren die Pläne

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Aussichten sind düster: Das Rentenniveau sinkt. Selbst die zuständige Bundesarbeitsministerin merkt nun, dass etwas schief läuft. So warnte sie am Mittwoch, das Rentenniveau werde bei geltender Rechtslage von derzeit 47,8 Prozent auf 41,6 Prozent im Jahr 2045 sinken. Benötigt werde deshalb eine »Haltelinie«, so Andrea Nahles. Die Wortmeldung überrascht, war es doch die SPD, die als Regierungspartei zusammen mit den Grünen die Absenkung des Rentenniveaus im Jahre 2004 beschlossen hatte.

Nahles will im Herbst ein zentrales Rentenkonzept vorlegen. Dazu gehört offenbar auch die am Dienstag mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) getroffene Grundsatzeinigung zur Ausweitung der Betriebsrenten. Sie sollen auch für Geringverdiener attraktiver werden, die bislang oft außen vor bleiben. Die Betriebsrenten sollen so auch in kleinen und mittleren Unternehmen zum Normalfall werden. Der Gesetzentwurf soll innerhalb der nächsten zwei Wochen fertig sein. Die Eckpunkte sind aber bereits bekannt.

Wenn Arbeitgeber demnach für ihre Geringverdiener zwischen 240 und 480 Euro in eine betriebliche Altersvorsorge zahlen, sollen sie über eine steuerliche Förderung einen Zuschuss von 30 Prozent erhalten. Die Grenze dafür soll bei einem Bruttoverdienst von 2000 Euro liegen. Dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist das jedoch zu wenig. Niedrigverdiener müssten bis zu einem Verdienst von 2500 Euro monatlich bei der steuerlichen Förderung berücksichtigt werden, so die Forderung. »Ansonsten bleiben beispielsweise Beschäftigte des Einzelhandels und andere Branchen mit niedrigen Einkommen auf der Strecke«, so eine DGB-Sprecherin gegenüber »nd«. Kritik kommt auch vom LINKEN-Vorsitzenden Bernd Riexinger: »Anstatt den Arbeitgebern von Niedriglöhnern finanzielle Anreize zu bieten, sollte es Ausgleichsmechanismen geben, von denen Geringverdiener profitieren«, sagte Riexinger gegenüber »neues deutschland«. Die geplante Reform schaffe »ein neues Bürokratiemonster«, fürchtet der Parteichef.

Arbeitnehmer sollen künftig bis zu sieben Prozent ihres Lohns steuerfrei in eine Betriebsrente umwandeln können, das wären 0,6 Prozent mehr als bisher. Sozialabgabenfrei sollen wie bisher aber nur bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung bleiben.

Zudem sollen Betriebsrenten stärker gefördert werden, wenn sie auf Tarifverträgen beruhen. Das Ziel ist, die betriebliche Altersvorsorge auch in kleinen und mittleren Betrieben auszubauen. Derzeit erwerben rund 60 Prozent aller Beschäftigten Ansprüche auf eine Betriebsrente. Ein Teil der fälligen Auszahlungen soll nicht mehr auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden.

Arbeitgeber sollen zukünftig nur noch eine eingeschränkte Haftung für die Betriebsrente übernehmen. Sie müssten dann nur noch zusagen, dass sie die Beiträge überweisen. Rentenleistungen in bestimmter Höhe müssten sie nicht mehr garantieren. Die Gewerkschaften hätten sich offen gezeigt für die Einführung einer reinen Beitragszusage, schreibt das »Handelsblatt«. Das scheint so nicht zu stimmen. Von Seiten des DGB hieß es, dass »dieses Risiko nicht einseitig auf die Arbeitnehmer verlagert werden darf, sondern bei einer Enthaftung im Rahmen eines tariflichen Modells im Gegenzug die Arbeitgeber einen Sicherungsbeitrag zusätzlich leisten sollen, damit das Risiko geteilt wird«. Dieser Beitrag solle vom Staat steuerlich entlastet werden, so dass auch der Staat zu einer Risikominimierung beiträgt.

Dass ein solches »Risiko« in der momentanen Niedrigzinsphase durchaus kein abstraktes Szenario ist, zeigt eine Warnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) aus dem Mai. »Möglicherweise«, so der zuständige Direktor Frank Grund mit Blick auf die Niedrigzinsen, »können daher bald einzelne Pensionskassen nicht mehr aus eigener Kraft ihre Leistungen in voller Höhe erbringen.« Derzeit belaufen sich die Zusagen der Pensionkassen auf mehr als 364 Milliarden Euro.

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