Neustartversuch für die Perle von Keffenbrink

Nur etwa ein Drittel der ehemaligen Herrenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern ist saniert - die Anwesen werden vorwiegend touristisch genutzt

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 1500 ehemalige Herrenhaüser gibt es in Mecklenburg-Vorpommern, sagt Manfred Achtenhagen vom Verein der Schlösser, Guts- und Herrenhäuser MV. Nur etwa ein Drittel der Gebäude sei saniert und werde vorwiegend touristisch genutzt, als »Schlosshotel« etwa oder Reiterdomizil. Ein weiteres Drittel der Objekte sei nicht saniert und werde dennoch genutzt, beispielsweise das frühere Herrenhaus Keffenbrink. Für das große große Anwesen im Süden des Landkreises Vorpommern-Rügen könnte sich aber nun manches ändern.

»Noch erahnen« lasse sich an einigen Details - etwa einer großen gusseisernen Treppe - »der einstige Glanz« des um 1900 erbauten Herrenhauses Keffenbrink. So hatte die Deutsche Grundstücksauktionen AG in ihrem Herbstkatalog für das Objekt geworben. Mindestens 35 000 Euro sollten für das seit 1945 als Wohnhaus genutzte Gebäude geboten werden, für 125 000 Euro ging es jetzt bei der Versteigerung in Berlin an einen Privatmann aus Ulm.

Der Käufer, ein Hauswart, war einer von sechs Interessenten, die sich zuvor an Ort und Stelle bei Besichtigungen vom einstigen Glanz des denkmalgeschützten, in einem 61 000 Quadratmeter großen Parkgrundstück liegenden Hauses überzeugt hatten. Sie alle mussten vermutlich viel Fantasie aufbringen, um in dem mittlerweile ausgesprochen schlichten Bauwerk einen ehemaligen Herrensitz zu sehen. Der Wohnkomplex mit seiner weiß verputzten Fassade und den funktionell-rechteckigen Fenstern lässt kaum noch etwas vom feudalen Charakter des Schlösschens und dessen Stattlichkeit erkennen. An sie erinnern nur noch alte Fotos und Postkarten.

Auf ihnen präsentiert sich Keffenbrink mit repräsentativen Treppenaufgängen, dekorativem Bewuchs an Außenwänden, Rundbogenfenstern, Galerie und einem imposanten Turm, auf dem hoch am Mast eine Fahne über dem Park mit seinem alten Baumbestand flattert. Was sie zeigt, ist nicht genau zu erkennen, vielleicht das Wappen oder die Farben des Freiherren von Pachelberg-Gehag, der neben Keffenbrink die gleichfalls zur Gemeinde Grammendorf gehörenden Rittergüter Dorow und Nehringen sowie das Restgut Rodde zu seinen Besitztümern zählte. Jener Adelsfamilie war während des zweiten Weltkriegs ein bedeutendes Stück deutscher Instrumentengeschichte anvertraut worden: die von 1653 bis 1659 in der Stralsunder Marienkirche erbaute Stellwagen-Orgel. Fachleute zerlegten sie 1943 und brachten die Teile zum Schutz vor Bombenangriffen ins Herrenhaus Keffenbrink.

Von dort gelangte das berühmte Instrument 1945 mit Hilfe der Roten Armee zurück nach St. Marien, wo die Orgel nach wie vor erklingt. In jenem Jahr war mit dem Ende des Hitlerfaschismus im Osten Deutschlands auch die Zeit der Gutsherren und ihrer Feudalsitze vorüber. Wohnungen wurden dringend benötigt, gleich mehrere entstanden auf Keffenbrink.

Im Laufe der folgenden Jahrzehnte nagte der Zahn der Zeit kräftig am und vor allem im ehemaligen Herrenhaus. Der Turm wurde abgebrochen, die kleine Kapelle - einst ein Schmuckstück des Gebäudes - diente fortan als Lagerraum.

Heute stehen viele Räume leer, wirken marode, Bauschutt liegt herum. Nach einem Brand wurden die acht Wohnungen modernisiert, dennoch hieß es im Katalog des Auktionators zur aktuellen Lagen: »Die Sanitärausstattung ist veraltet«, das Objekt sei »umfassend sanierungs- und modernisierungsbedürftig«. Das Ganze ist »ein Mammutobjekt«, weiß der neue Eigentümer. Er habe »langfristig die Idee, das Haus im ursprünglichen Zustand wieder herzustellen«, sagte er dem NDR nach der Versteigerung. Den Turm will der Ulmer neu aufbauen und auch die schönen alten Treppen wieder herrichten. Wann die Arbeiten beginnen sollen, ließ der Käufer gegenüber den TV-Journalisten jedoch offen, auch Details zur künftigen Nutzung waren von ihm noch nicht zu hören.

Alte Gutshäuser im Nordosten seien zwar gefragt, sagt Manfred Achtenhagen vom Verein der Schlösser, Guts- und Herrenhäuser MV. Doch viele Interessenten unterschätzten die Kosten, die mit einer Sanierung verbunden sind. Von den 1500 ehemaligen Herrensitzen verfalle ein Drittel leider.

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