Rückenwind für die AfD

In Borkheide dürfte die Angst vor Waldbränden die Landratswahl stark beeinflusst haben

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

»In Borkheide leben keine Flüchtlinge. Wir sind hier nicht ausländerfeindlich«, versichert ein Einwohner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Nennen wir ihn Herr X. Dass Sven Schröder (AfD) bei der Landratswahl am 25. September in diesem Ort im Landkreis Potsdam-Mittelmark 25 Prozent der Stimmen bekam, liege nicht an der Asylpolitik, sagt Herr X. Das habe einen anderen Grund: Sven Schröder, der in Borkheide wohnt und im Landtag sitzt, habe sich als Gegner des Windparks profiliert, der zwischen Borkheide, dem Nachbarort Borkwalde und der östlich verlaufenden Autobahn A 9 im Wald entstehen soll. Etwa 1000 Meter von den Siedlungen entfernt planen zwei verschiedene Investoren zusammen 22 Windkraftanlagen. Bis zu 50 Stück wären dort zulässig.

Viele Anwohner haben Angst, dass ein Blitzeinschlag oder ein technischer Defekt eins der Windräder in Flammen setzt und einen Waldbrand entfacht, der ihre Häuser zerstören und ihr Leben in höchste Gefahr bringen könnte. Denn Borkheide und Borkwalde weisen einen dichten Baumbestand auf. Die beiden Siedlungen sind derart harmonisch in den Wald eingefügt, dass von der Ortsdurchfahrt aus die Grundstücke im Grünen kaum auszumachen sind. Die Waldbrandgefahr ist hoch in dieser trockenen Gegend, wo der Grundwasserspiegel mit 40 Metern sehr tief unter der Erde liegt.

Für Borkwaldes Bürgermeisterin Renate Krüger (LINKE) sind die Sorgen keineswegs unbegründet. Immerhin haben in Deutschland im laufenden Jahr bereits acht Windräder gebrannt, sagt Krüger. Ihr ist aufgefallen, dass der AfD-Kandidat vor allem dort überdurchschnittlich gut abgeschnitten habe, wo es Schwierigkeiten mit Windrädern gibt.

Insgesamt bekam Schröder zwar nur 16,3 Prozent und schaffte es damit nicht in die Stichwahl am 9. Oktober. Die Entscheidung fällt zwischen Franz Herbert Schäfer (CDU) und Landrat Wolfgang Blasig (SPD), auf dessen Seite sich nach dem Ausscheiden ihres eigenen Bewerbers Klaus-Jürgen Warnick die LINKE geschlagen hat. Schröder bekam aber in in Borkwalde 28,6 Prozent. Klar, ein gewisses rechtes Potenzial habe es hier früher schon gegeben, erinnert Krüger. »Aber nicht in diesen Dimensionen!« 2014 hatte Krüger als LINKE bei ihrer Wahl zur Bürgermeisterin 62 Prozent der Stimmen erhalten. Die inzwischen 65-Jährige hatte sich gegen den Windpark stark gemacht.

Dass die Asylpolitik beim Ausgang der Landratswahl gar keine Rolle gespielt habe, würde Andreas Trunschke aus Borkwalde nicht sagen. Doch auch der frühere PDS-Landtagsabgeordnete denkt, Schröder habe Rückenwind bekommen durch die Art und Weise, wie mit den Bedenken der Bürger umgegangen wurde. Einwendungen gegen den Windpark seien einfach beiseite geschoben worden, beklagt Trunschke.

Schröder ist ein eher sachlicher Typ, keiner von den Scharfmachern in der AfD, und - das muss man ihm lassen - er kümmert sich wirklich. So fordert er einen »Unbedenklichkeitsnachweis von Windenergieanlagen durch Lärm- und Schallmessungen«, die das Landesumweltamt vornehmen soll. Sein Topergebnis erzielte Schröder mit 41,9 Prozent allerdings in Klepzig, einem Ortsteil der Gemeinde Wiesenburg, in dem es Windräder weder gibt noch geben soll. Flüchtlinge sind dort auch nicht untergebracht. Aber Trunschke vermutet dennoch, dass an vielen anderen Stellen in Potsdam-Mittelmark die Diskussionen um Windparks mit ausschlaggebend gewesen sind.

Von Januar bis Juli 2016 hatten 45 270 Brandenburger ein Volksbegehren unterschrieben, das letztlich vergeblich höhere Mindestabstände von Windrädern zu Wohnhäusern verlangte und Windkraftanlagen im Wald verbieten wollte. Ralf Christoffers, Linksfraktionschef im Landtag, hatte ein solches Begehren mit der Begründung abgelehnt, dass dann überhaupt keine neuen Windräder mehr errichtet werden könnten.

Genau das würde der eingangs zitierte Herr X aus Borkheide jedoch begrüßen. Er findet, dass es sowieso schon zu viele Windräder gibt, die nur langsam trudeln oder abgestellt sind, weil die Stromnetze das Überangebot an Windenergie nicht vertragen. Eine wirtschaftliche Speichertechnologie werde es auch in zehn Jahren noch nicht geben, bedauert Herr X. Eigentlich ist er Sympathisant der Linkspartei. Doch über deren Slogan von der sozial-ökologischen Wende kann er nur lachen. Weil Brandenburg bei der Energiewende weit vorgeprescht sei, koste Strom hier so viel wie nirgendwo sonst in Deutschland. 900 000 Haushalten in der Bundesrepublik sei 2015 der Strom abgestellt worden, weil sie ihre Rechnungen nicht begleichen konnten, erläutert Herr X. Da sage die LINKE dann, der Bund müsste zahlen. Aber der Bund tue das nicht. Ergo müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien gestoppt werden. Andernfalls habe die AfD, so prophezeit Herr X, nach Euro und Asylpolitik mit der Energiewende wieder ein zugkräftiges Thema - ein Thema, das der Partei sogar mehr Wähler in die Arme treiben könnte als die Flüchtlingskrise.

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