Akten zur NSU-Mordserie geschreddert

Staatsanwaltschaften Potsdam und Frankfurt (Oder) hielten sich stoisch an gesetzliche Löschungsfrist

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 2 Min.

»Mit ein bisschen politischer Sensibilität hätte man erkennen können, dass man diese Akten aufbewahren sollte«, sagt Maria Strauß, Sprecherin von Justizminister Stefan Ludwig (LINKE).

Im vergangenen Jahr haben die Staatsanwaltschaften Potsdam und Frankfurt (Oder) Ermittlungsakten geschreddert, in denen Hinweise auf den für die NSU-Affäre bedeutsamen V-Mann »Piatto« standen. »Wir bedauern das, weil wir an der Aufklärung der NSU-Mordserie interessiert sind«, erklärt Ministeriumssprecherin Strauß am Mittwoch. Es habe keine Anweisung aus dem Justizministerium gegeben, die Akten zu vernichten, betont sie. Es handele sich um Akten aus Ermittlungen gegen Neonazis. Die Ermittlungen waren bereits lange abgeschlossen. Nach zehn Jahren sei die Löschung personengebundener Daten gesetzlich geboten, erinnert Strauß. Es gebe aber Ausnahmeregelungen. So können historisch bedeutsame Akten an Archive abgegeben werden.

Glücklicherweise hatte Brandenburg die betreffenden Akten einige Zeit an den zweiten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages abgegeben und der schickte sie dann mit dem Ende der Wahlperiode 2013 zurück. Es sei bei der Aktenvernichtung nicht absehbar gewesen, dass es 2016 einen NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags geben würde, der ebenfalls auf die Akten zugreifen möchte, heißt es entschuldigend. Der Untersuchungsausschuss des Landtags könne nun aber Kopien der Originalakten vom Bundestag anfordern und sich damit behelfen.

Carsten Szczepanski alias »Piatto« begann seine Spitzeltätigkeit für den brandenburgischen Verfassungsschutz spätestens 1994. Damals saß er im Gefängnis. Als gewalttätige Kumpane einen Nigerianer fast zu Tode prügelten und beinahe im Scharmützelsee ertränkten, soll er dabeigestanden und sie angefeuert, vielleicht auch angestiftet haben. Nach nd-Informationen sollen unter den geschredderten Akten auch Dokumente sein, die sich mit diesem Fall befassen. Außerdem sollen außerdem Akten zu einem Verfahren gegen »Piatto« dabei sein, in dem es um illegalen Waffenhandel ging.

V-Mann »Piatto« spielt im Münchner NSU-Prozess eine bedeutsame Rolle. So sieht Rechtsanwältin Antonia von der Behrens, die dort die Hinterbliebenen des 2006 in Dortmund ermordeten Mehmet Kubaşık vertritt, »konkrete Hinweise darauf«, dass Kubaşık und die anderen NSU-Opfer noch leben könnten, wenn der brandenburgische Verfassungsschutz die Informationen des Spitzels »Piatto« über den Verbleib des untergetauchten NSU-Trios an die Polizei weitergegeben hätte.

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