Laridschanis Denkzettel für Gabriel
Die deutsch-iranische Wirtschaftszusammenarbeit kommt nicht voran
Reisen bildet, nicht zuletzt Museumsbesuche. Gewiss auch für Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in der Islamischen Republik Iran. Sein Aufenthalt im Teheraner Golestan-Palast am Dienstag zog sich denn auch immer mehr in die Länge, aber wohl weniger aus Bildungshunger. Parlamentspräsident Ali Laridschani hatte die ursprünglich geplante Begegnung mit Gabriel platzen lassen, so dass sich der Minister, um die Peinlichkeit nicht sofort öffentlich werden zu lassen, bis zum Abflug im Museum herumdrücken musste.
Es wäre die protokollarisch höchstrangige Begegnung Gabriels auf dieser Iran-Visite gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Den praktischen Wert des Besuchs muss das nicht unbedingt negativ beeinflusst haben - rein theoretisch. Nach den Worten der Vorsitzenden des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, hat er »positive Ergebnisse« gebracht. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit sei »noch einmal vertieft« worden, so der Vorstandsvorsitzende des Berliner Entsorgungs- und Recycling-Unternehmens ALBA gegenüber der Oldenburger »Nordwest-Zeitung« vom Dienstag. Sicher setzt auch ALBA große Hoffnungen auf einen Einstieg in den gewaltigen iranischen Markt: Knapp 80 Millionen Einwohner und ein vergleichsweise unterentwickeltes Müllsammel- und Wiederverwertungsnetz, gleichzeitig gute Wachstumszahlen lassen da manche Blütenträume reifen.
Die wirtschaftlichen Bedingungen in Iran »verbessern sich deutlich«, heißt es in einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF), der am Montag in Washington veröffentlicht wurde. Im Rechnungsjahr 2016/17 wird ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um mindestens 4,5 Prozent prognostiziert. Auch außerhalb des Ölsektors gebe es erkleckliches Wachstum. Alles in allem, so die IWF-Manager, hätte der iranische Staat, seit die Sanktionen gegen ihn seitens der UNO aufgehoben sind, seine Hausaufgaben gemacht.
Nicht so die Bundesregierung, und böse Zungen könnten Schweitzers reichlich übertriebenes Loblied auf die Besuchsergebnisse auch als Erinnerung an Berlin deuten, weil es eben nicht »geliefert« hat. Schon vor 15 Monaten, kurz nach dem internationalen Übereinkommen zum iranischen Atomprogramm und der folgenden Aufhebung internationaler Handels- und Wirtschaftssanktionen besuchte Gabriel mit einem ähnlichen Tross deutscher Unternehmer wie jetzt die iranische Hauptstadt, damals als einer der ersten hochrangigen Besucher aus Westeuropa. Die Erwartungen waren groß, die Versprechungen hinterher vollmundig, die Resultate um so ernüchternder. Der US-Kongress, dessen republikanische Mehrheit bis zuletzt versucht hatte, Präsident Barack Obamas Entspannungskurs gegenüber Iran zu hintertreiben, musste zwar die Aufhebung der UN-gestützten Sanktionen gegen Teheran zur Kenntnis nehmen, denkt aber bis heute nicht daran, sie in nationales Recht umzusetzen.
Praktisch heißt das zum Beispiel: Jede Bank, auch jede deutsche, die einem deutschen Unternehmen eine Kreditlinie für Geschäfte mit Iran bereit stellt, kommt in den USA auf eine Schwarze Liste. Man kann dann entweder keine Geschäfte mehr mit US-Unternehmen oder auf dem US-Markt tätigen Firmen machen, hat das Land zu verlassen und ist damit außenwirtschaftlich tot - oder akzeptiert empfindliche Strafen. Die Commerzbank, von den US-Behörden »erwischt«, zahlte 2015 wegen »Verstößen gegen amerikanische Sanktionen« fast 1,5 Milliarden Dollar Strafe. Ausländische Banken übrigens auch - wie Banque Nationale de Paris Paribas, das drittgrößte Geldinstitut Europas.
Es ist nicht bekannt, dass Deutschland, dass die EU und ihre ansonsten so überzeugten Freihandelsfanatiker in diesem Jahr irgendetwas unternommen haben, um die USA von ihrem Blockadekurs abzubringen. Die Führung in Teheran hat ihrer Enttäuschung darüber nicht freien Lauf gelassen, sondern mit Laridschanis Ausladung zu einer diplomatischen Volte gegriffen. Auch das darf Gabriel gewiss als Bestandteil seiner Bildungsreise verbuchen.
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