Signal der Hoffnung in Jordanien
Bundesregierung will mit »Cash for Work« Druck in Syriens Nachbarländern mindern
»Cash for Work« nennt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller das Programm. In der Türkei werden davon Syrer als Lehrer beschäftigt; in Libanon und Nordirak werden Wohnungen instand gesetzt. In Jordanien werden Syrer unter anderem für das Sammeln von Müll bezahlt. 200 Millionen Euro lässt sich das Ministerium diese, so Müller, »Beschäftigungsoffensive Nahost« kosten; an die 50 000 Jobs wolle man bis zum Jahresende geschaffen haben.
»Solche Initiativen sind für uns ein wichtiges Signal«, sagt Jordaniens Regierungschef Hani Mulki. »Wir brauchen aber noch sehr viel mehr Unterstützung aus dem Ausland, um diese immensen Herausforderungen meistern zu können.« Gut fünf Millionen Menschen aus Syrien und Irak wurden von Jordanien, Libanon und der Türkei aufgenommen; Jordanien beherbergt nach eigenen Angaben 1,4 Millionen Flüchtlinge aus Syrien. Als Flüchtlinge fühlen sich auch Palästinenser, die nach der Entstehung des Staates Israel nach Jordanien kamen. Sie haben aber heute die jordanische Staatsbürgerschaft.
Doch Müllers Reise in die Region hatte auch unmittelbare Auswirkungen: Die jordanische Regierung gab kurz nach seinem Eintreffen bekannt, dass man am Wochenende wieder Hilfslieferungen an die mittlerweile etwa 80 000 Flüchtlinge gestatten werde, die seit Monaten in der unwegsamen Wüstenregion im Drei-Länder-Eck Irak-Jordanien-Syrien ausharren; mit Baukränen wollen internationale Organisationen Hilfslieferungen über die Grenze hieven. Nach einem Anschlag auf einen Grenzposten hatte Jordanien Ende Juni die Grenze nach Syrien geschlossen; im August hatte man zum letzten Mal Hilfslieferungen erlaubt.
Denn Jordaniens Regierung befürchtet, dass Gruppen wie der Islamische Staat versuchen könnten, das Land zu infiltrieren. Gleichzeitig spitzt sich die soziale Lage zu: Es fehlt an Wohnraum und Arbeit; die Unzufriedenheit mit der Regierung in Amman ist groß.
Dazu beigetragen hat auch die Parlamentswahl Ende September, die von König Abdullah II. eigentlich als »Schritt zur Demokratisierung« beworben worden war. Gewählt wurde erstmals nach dem Proporzprinzip. Doch vor allem die Palästinenser, die je nach Statistik zwischen 50 und 70 Prozent der einheimischen Bevölkerung ausmachen, kritisierten, dass der Zuschnitt der Wahlkreise palästinensische Bevölkerungszentren benachteiligt. Zudem hat die Wahl auch die weitgehende Machtlosigkeit des Parlaments in den Vordergrund gerückt; alle wichtigen Entscheidungen werden von Königshaus und Regierung ohne Parlamentsbeschluss getroffen. Die Wahlbeteiligung war deshalb niedrig.
Sprecher des Königs betonen stets, man könne westliche demokratische Maßstäbe nicht einfach auf Jordanien übertragen, und verweisen dabei auf die chaotischen politischen Verhältnisse in Irak, wo sich Regierung und Parlament derzeit einen Machtkampf liefern. Scheich Hamza Mansur sieht das allerdings anders. »Die Probleme sind so groß, dass sie nicht von einer kleinen Gruppe von Leuten allein bewältigt werden können«, sagt der Vorsitzende der Islamischen Aktionsfront (IAF). Sie ist der politische Ableger der jordanischen Muslimbruderschaft. Während die Organisation selbst in Jordanien verboten ist, durfte die IAF erstmals seit Jahren wieder bei den Wahlen antreten und errang auf Anhieb etwa 20 der 130 Parlamentssitze. Man habe keine Angst vor islamistischen Parteien, sagen Sprecher von Regierung und Königshaus und fügen hinzu, dass dies Jordanien von anderen Ländern der Region unterscheide: Man stellt sich gerne als nahöstlicher Modellstaat dar, der als erster palästinensischen Flüchtlingen die Staatsbürgerschaft gab und sich um die Integration von Minderheiten bemüht.
Weitgehender Konsens herrscht indes in der Flüchtlingsfrage. Kritik an der hohen Zahl von Migranten gibt es kaum; weit mehr wird der Regierung vorgeworfen, nicht genug für die Menschen zu tun.
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