Nachhilfe hinter den Alpen

Die Stadt Wien gilt weltweit als Musterbeispiel für den sozialen Wohnungsbau

  • Lesedauer: 2 Min.

Wann immer in Deutschland über den sozialen Wohnungsbau gestritten wird, kommt irgendwann der Verweis auf die österreichische Hauptstadt. Denn das »Wiener Modell« gilt in Sachen soziales Wohnen als Vorbild. Etwa zwei Drittel der Wiener leben dank öffentlicher Förderung vergleichsweise günstig. Über 220 000 Wohnungen gehören der Gemeinde, weitere 200 000, meist in der Hand von Genossenschaften, werden von der Stadt gefördert.

Die Stadt lässt sich ihren sozialen Wohnungsbau mit fast 700 Millionen im Jahr einiges kosten. Mehr als die Hälfte der Mittel kommt dabei über den Finanzausgleich vom Bund. Das »Wiener Modell« hat Tradition. Zwischen 1923 und 1934 legte die sozialdemokratische Regierung in Wien ein gigantisches Neubauprogramm auf. Anders als in Deutschland wurden diese Wohnungen nie zur kurzfristigen Aufbesserung der Kassen an private Investoren verkauft.

Auch gegen das hierzulande oft schlechte Image ehemaliger Sozialviertel als ghettoartige Plattensiedlungen hat Wien Konzepte entwickelt. So entstehen beispielsweise im Sonnwendviertel futuristische Neubauten mit Gemeinschaftsräumen, Nachbarschaftsgärten, Schulen, Kindergärten und sozialen Einrichtungen in der direkten Umgebung. Dass Qualität und architektonische Kreativität nicht immer teuer sein müssen, wollte die Stadt schon früh beweisen. In den 1970er Jahren, als im großen Stil neuer öffentlicher Wohnraum geschaffen wurde, entstand beispielsweise der Wohnpark Alt-Erlaa. Als Stadt in der Stadt gilt dieses Quartier, entworfen vom Architekten Harry Glück. Neben zahlreichen Hallenbädern und anderen Freizeitangeboten sind vor allem die Pools und Saunen auf den Dächern berühmt.

Dass die Stadt hohe Qualitätsansprüche an die Bauherren stellen kann, liegt vor allem daran, dass Grundstücke nicht meistbietend versteigert, sondern abhängig vom Konzept vergeben werden.

Die Wiener sind stolz auf ihr weltweit bekanntes Modell. Doch es gibt auch kritische Stimmen. So meinte im vergangenen Jahr gegenüber einem Obdachlosenmagazin ausgerechnet der Architekt Glück, dass in den günstigen Wohnungen keinesfalls nur Leute wohnten, die diese nötig hätten. Geringverdiener hätten dagegen oft das Problem, dass sie sich den teuren Genossenschaftsanteil nicht leisten könnten. js

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