Abschottung, ein gutes Stichwort
Wie deutsche Unternehmen konstruktive Kritik von Demonstranten und NGO in Destruktivität beugen
Deutsche Institute klärten mal wieder auf. Brachten Licht ins Dunkle. Wenn die beiden Freihandelsabkommen nicht kommen, so erklärten das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das ifo-Institut, das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und das Kieler Institut für Weltwirtschaft kürzlich in einer Gemeinschaftsdiagnose, dann würde die wirtschaftliche Zukunft Deutschland aufs Spiel gesetzt. Denn – und jetzt kommts! - Abschottung sei keine Alternative zur weltwirtschaftlichen Integration. Diese Mentalität zur Abschottung unterstellten die vier Denkfabriken den Gegendemonstranten, die TTIP und Ceta nicht wortlos hinnehmen wollen. Die würden dem Isolationismus nämlich neuen Auftrieb geben. Eine Exportnation wie Deutschland könne diese Haltung freilich nicht gebrauchen. Protektionismus sei keine Alternative zum Freihandel.
Man kann der Kritik an den Gegnern dieser Abkommen ja vieles nachsagen. Es sind ja auch, wie in jeder großen Masse, Spinner unter ihnen. Aber dass die Gegenbewegung zu diesem Generalangriff auf demokratische Strukturen auf irgendeine Art isolationistisch oder abschottend ist, das kann man nun wahrlich nicht behaupten. Im Gegenteil, es ist immer wieder von einem fairen Welthandel die Rede. Von einer globalen Ökonomie eben. Nur dürfe die nicht mit Handelsabkommen flankiert werden, die die Politik als Entscheider ausscheiden lassen, um dort die Führungsgremien großer Konzerne zu installieren. Man kritisiert auch die Subventionspolitik für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Europa, die auf afrikanischen Märkten zu Preisverfall dort heimischer Produkte führt. Aber eigentlich nie kommen darin Sätze vor wie: »Wir bleiben für uns!« oder »Deutsche Möhren den Deutschen!«
Das wäre ja auch fatal, man kann sich die Welt heute kaum noch in unabhängig agierenden Entitäten denken. Wahrscheinlich gab es eine solche Unabhängigkeit nie. Die Menschheit war letztlich immer eine überregional und sogar global tickende Handelsvertreterin. Abschottung wäre nicht mal ein historischer Rückschritt, sondern schlicht und ergreifend ein Hirngespinst. Etwas, das es nie gegeben hat und sehr wahrscheinlich gar nicht geben kann. Und weil dem so ist, unterstellt man es den Kritikern von TTIP und Ceta ganz ungeniert. Man macht sich in deutschen Instituten gar nicht erst die Mühe, sich mit den Kritikpunkten der Gegner auseinanderzusetzen. Nein, diese Leute, die nun protestieren, die bezichtigt man kurz und knapp einer Dummheit, eines verengten Blickes, beschuldigt sie der Wohlstandsgefährdung und diskreditiert sie so als seriöse Kritiker, setzt sie in ein halbseidenes Licht.
Ihre konstruktive Kritik blendet man aus. Man tut so, als würde sie nur ein destruktiver Wahn treiben. Dabei wünscht man sich konstruktive Kritik an so vielen Stellen. Jedes öffentliche Haus, das was auf sich hält, betreibt Beschwerdemanagement. Manchmal sind Kritiken und die Anreize, die dort eingereicht werden auch ganz umgänglich und man kann mit ihnen arbeiten. Sie geben der Betriebsblindheit ein bisschen Sehstärke, erleichtern Abläufe oder – wir leben ja immerhin in der politisch verordneten Austerität – verbilligen Prozesse und beschleunigen irgendein Prozedere. Das aber, was auf der Straße von Demonstranten und von Nichtregierungsorganisationen als konstruktive Kritik angebracht wird, das beugen deutsche Institute leichter Hand in die Destruktivität. Mit der Masche kann man es müheloser abtun.
Das ist letztlich ja nicht mal eine neue Methode. Seit Jahrzehnten sprechen wirtschaftsnahe Einrichtungen beispielsweise von »Globalisierungsgegnern«, obgleich die gar nicht gegen eine zusammengerückte Welt sind, wohl aber gegen das Wie des Zusammenrückens (An dieser Stelle konnte man bereits vor längerer Zeit darüber lesen). Wer Konstruktivität einfach systematisch in Destruktivität umkehrt, der entledigt sich seiner Kritiker. Es ist die einfachste Variante, es versanden zu lassen. Eine kalkulierte Methode, die berechtigten Einwände von Kritikern ins Lächerliche zu verleumden und sie zu unmündigen Trotteln herabzuwürdigen. Abschottung also? Warum eigentlich nicht! Isolierte Denkfabriken könnten jedenfalls keinen Schaden mehr anrichten. Ein Dank an die vier Institute für das Stichwort!
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!