Eine schöne, alte Stadt

Demografie-Serie (5 und Schluss): Görlitz will wieder »Pensionopolis« werden

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Zum demografischen Wandel gehört, dass die Gesellschaft altert. In wenigen Jahren ist ein Drittel der Sachsen älter als 60 Jahre. Die Stadt Görlitz will sich darauf einstellen - und wieder »Pensionopolis« werden.

Der Begriff ist alt: Schon vor 100 Jahren wurde Görlitz »Pensionopolis« genannt. Berliner Beamte und Offiziere verlebten ihren Ruhestand an der Neiße. Ihre eleganten Villen prägen noch heute das Stadtbild. Jetzt wird Görlitz erneut zur alten Stadt. In einer Studie der Kulturwissenschaftlerin Ina Merkel beschreibt ein Unternehmer das Stadtbild so: »Schöne alte Häuser, schöne alte Gesichter«. Görlitz, das seit 1990 ein Drittel der Bevölkerung verloren hat, zählt heute 58 000 Einwohner. Der Altersdurchschnitt liegt bei 49 Jahren, jeder fünfte Görlitzer ist 65 und älter. Statt angesichts derlei »Vergreisung« zu resignieren, betrachtet Görlitz das Altern als »Entwicklungsstrategie«. So wird unter Verweis auf die restaurierte Altstadt um »reiche Alte« geworben, die in Görlitz ihren Lebensabend verbringen sollen und dabei nicht nur beschauliche Ruhe finden, sondern auch Lebenshaltungskosten, die um ein Fünftel unter denen in den West-Bundesländern liegen. Geht es nach Erika Steinert, sollte sich die »Pensionopolis« aber nicht darauf beschränken, Senioren zum Umzug nach Görlitz zu bewegen. Die Professorin am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Görlitz-Zittau wirbt dafür, auf die alternde Bevölkerung zugeschnittene neue Formen des sozialen Lebens zu entwickeln und dabei auch diejenigen Älteren nicht zu vernachlässigen, die schon in Görlitz leben - und oft weniger kaufkräftig sind. Eine Untersuchung, die Steinert durchführte, offenbart große soziale Probleme bei Frauen, die nach 1990 in das Rentenalter gekommen sind oder durch Arbeitslosigkeit aus dem Berufsleben gedrängt wurden. Eine »Pensionopolis« des 21. Jahrhunderts, so Steinerts These, muss ältere Menschen als attraktive Einwohner ansehen statt nur als Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Eine an ihren Bedürfnisse orientierte Einwicklung bringe wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen »Mehrwert», von dem auch junge Menschen profitierten. Steinert wirbt daher nicht nur dafür, Dienstleistungsangebote und Produkte stärker an den Bedürfnissen älterer Menschen auszurichten. Sie fordert auch, Möglichkeiten zu ehrenamtlichem Engagement für jung gebliebene Senioren zu schaffen. Als Beispiel nennt sie das von Studenten entwickelte Projekt eines »Großelterndienstes«. Auch auf geistige Bedürfnisse solle eingegangen werden, etwa durch eine Seniorenakademie an der Hochschule. Als Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses hat man die Senioren dort schon entdeckt. Am Fachbereich Sozialwesen wird demnächst ein Studiengang mit dem Titel »Soziale Gerontologie« eröffnet, der Modelle für die Versorgung älterer Menschen entwickeln soll. Das in Sachsen einzigartige Lehr- und Forschungsangebot sei, so Dekan Norbert Zillich, ein »bildungspolitischer Be...

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