Flucht aus Thessaloniki
Die griechische Stadt galt als »Jerusalem des Balkans«.
»Die Deutschen nahmen uns alles. Der Fischer hat keinen Fisch. Der Schlachter hat kein Fleisch. Der Bäcker hat kein Brot.« So lauten einige Verse, die Bouena Sarfatty in ihrer Heimatstadt Thessaloniki während der deutschen Besatzung niederschrieb und die Jahrzehnte später in dem Band »Ode an Salonika« veröffentlicht wurden.
Salonika - so der Name Thessaloniki in der Sprache der sephardischen Juden Griechenlands jener Zeit - hatte lange Zeit noch einen anderen Beinamen: »Jerusalem des Balkans«. Der Grund: Rund 56 000 Juden lebten in der Stadt und damit der Großteil der jüdischen Bevölkerung Griechenlands.
Zwar war die Wehrmacht schon im April 1941 in der Stadt, aber es sollte bis Frühjahr 1943 dauern, bis der Befehl kam, alle Juden Thessalonikis in Konzentrationslager zu deportieren. Tausende Juden konnten anfangs noch nach Athen entkommen, das sich zu jener Zeit noch unter Besatzung italienischer Truppen befand. Als im September 1943 aber auch hier die Wehrmacht einmarschierte, blieb den Juden Griechenlands endgültig nur noch die Wahl zwischen Untertauchen oder Fliehen.
Ebenso wie Bouena Sarfatty schlossen sich viele den Partisanen der ELAS-EAM an und fanden Unterschlupf in den Bergen. Die kommunistische Untergrundbewegung rief außerdem auf Plakaten die Bevölkerung auf, den Juden des Landes zu helfen. Viele folgten ihrem Ruf: Tausende nicht-jüdische Griechen versteckten ihre jüdischen Mitbürger und Polizeiwachen stellten falsche Ausweise aus. Auf Rhodos schaffte es der türkische Konsul Salahattin Ulkumen 47 Juden vor dem Zugriff der Nazis zu schützen. Auch die griechisch-orthodoxe und katholische Kirche des Landes halfen: Sie stellten falsche Taufpapiere aus oder arrangierten interkonfessionelle Hochzeiten.
Für viele blieb dennoch nur ein Weg, den Nazis zu entkommen: das Mittelmeer. Täglich legten auf den griechischen Ägäis-Inseln Fischerboote mit jüdischen und nicht-jüdischen Flüchtlingen in Richtung Türkei ab. Für rund 3000 Juden wurden die Lager in der Türkei, Syrien, Palästina und Ägypten zur Rettung. Viele von ihnen kehrten nach dem Krieg zurück nach Griechenland und damit in ein Land, in dem der Zweite Weltkrieg nahtlos in einen Bürgerkrieg überging. Andere blieben in ihrer neuen nahöstlichen Heimat.
Sarfatty kehrte im Juni 1945 in ihre zerstörte Heimat zurück. Ein Jahr später verließ sie ihr Land erneut in Richtung Nahen Osten: in ein israelisches Kibbuz.
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