5200 Sterne strahlen auf weißem Gold

Die Thüringer Leuchtenburg hat nun eine weitere Attraktion: die dortige Schau der Superlative wird durch eine Porzellankirche gekrönt

  • Lesedauer: 3 Min.

Seitenroda. Amtsburg war sie und Jugendherberge, Zuchthaus und Irrenanstalt, Armenhaus und Kreisheimatmuseum: Die Leuchtenburg im ostthüringischen Seitenroda kann auf eine wechselvolle Historie zurückschauen. 1221 erstmalig urkundlich erwähnt, ist sie nun um eine weitere Geschichte reicher: Auf der Leuchtenburg steht Deutschlands erste Porzellankirche. Zur Weihe am Wochenende standen die Karossen auf dem engen Pflaster dicht an dicht. Thüringens Ministerpräsident war da und der Oppositionsführer, der evangelische Regionalbischof und der katholische Dekan und viele Schaulustige.

In der Woche vor dem Trubel: Stiller Nebel über dem Saaletal, weit lässt sich nicht sehen. In sanfter Kurve führt vom neuen Parkplatz der Weg hinauf zur Burg. Er ist, wie alles hier, trefflich saniert. Nach 500 Metern Anstieg kommt das Burgtor, daneben der markante Bau des modernen Besucherzentrums. Hier gibt es die Tickets und eine freundliche Wegbeschreibung. Durch das Tor, immer geradeaus und hinein in die innere Burg; dort gleich wieder rechts.

Der Weg ist kurz und führt doch an viel Veränderung vorbei. Rechts lädt die mittelalterliche Schänke ein, links die Porzellanwelten-Schau. Die Stiftung Leuchtenburg ist seit 2007 Eigentümerin der Burganlage und hat dort eine Erlebnisausstellung rund um das Thema Porzellan installiert. Dabei werden nicht nur Exponate der Superlative wie eine gigantische, acht Meter hohe Vase oder eine Teekanne so groß wie ein Stecknadelkopf gezeigt - Besucher können auch auf einem »Steg der Wünsche« wandeln, der in luftiger Höhe über die Burgmauer ragt.

Der Schlussstein des ganzen Vorhabens ist die Dreieinigkeitskapelle. Von 1954 bis 2014 wurde der 157 Quadratmeter große Kirchenraum für Ausstellungszwecke genutzt. Zuletzt war hier eine Sammlung zum Thema Jagd mit Hirschgeweihen, Waffen und ausgestopften Tieren untergebracht. Die Stücke werden nun im Jagdschloss Fröhliche Wiederkunft in Wolfersdorf Besuchern präsentiert.

Der neue Innenraum, entworfen vom Amerikaner Michal Brown, soll den Ruhm der Leuchtenburg weiter mehren: als erste Porzellankirche der ganzen Republik. Davon ist zunächst nichts zu sehen. Vom aufgearbeiteten Boden bis hinauf zur fast sechs Meter hohen Decke versperren Spiegel die Sicht. Erst auf der anderen Seite dieser Riesenlamellen, im Kirchenraum mit Blick zum Altar, kommt der Aha-Effekt.

30 Lamellen umringen den Kirchenraum mit seinen massiven Sitzblöcken aus Eichenholz. Elliptisch angeordnet schaffen sie eine Art Vorhang. Ihre Vorderseiten bedecken drei Millimeter dünne Platten aus einem technischen Porzellan eines spanischen Herstellers, an den Seiten blitzt das Chrom der Fassungen. Den kantigen Altar und das Deckenoval schmücken schlichte Lichtkreuze.

Ein Raum im Raum. Der Architekt, ein Schüler von Daniel Libeskind, geht in seinen Intentionen noch einen Schritt weiter. Die über fünf Meter hohen, weißen Lamellen sollen an die Säulen einer gotischen Kathedrale erinnern, zwischen denen sich plötzlich der Blick in die Seitenschiffe weitet. Doch auch ohne diese Erklärung lässt sich die Kapelle genießen; sie mag zwar klein sein, doch ihre klare Eleganz lässt sie in Reinheit leuchten.

Aber auch an die dunklen Flecken der Burggeschichte soll erinnert werden. 5200 Menschen waren hier über anderthalb Jahrhunderte - bis 1871 - im Zuchthaus eingekerkert. Zu den Fußeisen und den Fesseln an den Händen gibt es knochenharte Arbeit. Der Gottesdienst und die Unterrichtung in Lesen und Schreiben, für die der Gefängnispfarrer auch zuständig war, machten die Kapelle zur Zuflucht. Ein Hochleistungsbeamer übernimmt künftig die Erinnerungsarbeit. Er wirft 5200 Punkte an die Porzellanlamellen, die gemeinsam die Silhouette der Burg bilden.

Der Umbau der Burgkapelle zur Porzellan-Kirche hat rund 150 000 Euro gekostet. Dazu hat der Landkreis nach Angaben der Stiftung 50 000 Euro beigesteuert, 72 000 Euro kamen für die Ausgestaltung aus der Landeskasse. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.