Bon(n)mot
Gabriele Oertel kann über die Debatten zum doppelten Regierungssitz nur noch müde lächeln
Der Titel ist falsch. Denn ein Bonmot soll kurz und geistreich sein. Das ist das Theater um den seit 25 Jahren nicht vollendeten Regierungsumzug nach Berlin schon lange nicht mehr. Geht es um die ministeriellen Hinterlassenschaften in Bonn, verlieren nicht nur dort Ansässige den guten alten rheinischen Humor. Die wackeren Verfechter der deutschen Einheit, die sich unterm Siebengebirge so betulich eingerichtet hatten, waren zwar 1990 unbesehen bereit, sich an der kleinen östlichen Republik dumm und dämlich zu verdienen und alles aus ihr herauszuholen, was nicht niet- und nagelfest war – wollten aber den Ihren so wenig wie möglich auf die Füße treten. Und wer von den zahlreichen ostdeutschen Verehrern Helmut Kohls an die Einheit aus der Portokasse, an blühende Landschaften und die weltoffene Berliner Republik glaubte, dem dürfte längst das Lachen im Halse stecken geblieben sein.
Dass auch dessen Nachfolger im Kanzleramt, Gerhard Schröder und Angela Merkel, die halbfertige deutsche Einheit nicht vollendeten, liegt in der Natur dieser nur größer und eben nicht besser gewordenen Republik. Wie auch, dass man nach jahrelangen Versäumnissen nun offensichtlich auf die bequeme biologische Lösung setzt – und natürlich nicht ein halbes Jahr vor der Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen den Menschen aus Bonn und Umgebung Arbeitsplatzsorgen und die Angst vor der Bedeutungslosigkeit zumuten will. Dieser kleinkarierte Stil im Umgang mit einer historischen Chance ist einfach nur lachhaft.
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