Russland befestigt seine Stützpunkte

Vertrag mit Syrien ratifiziert / Ständige Flottenbasis wird in Tartus eingerichtet

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir müssen überall sein«, ließ Nikolai Pankow, Staatssekretär im russischen Verteidigungsministerium, zu Wochenbeginn wissen. Begleitet wurde der globale Anspruch von der Nachricht, dass Moskau im syrischen Tartus einen eigenen ständigen Flottenstützpunkt einrichten werde. Das werde die Kampffähigkeit der syrischen Armee stärken und den Sieg über die Terroristen beschleunigen, frohlockte in Damaskus laut RIA/Novosti der syrische Armeesprecher im Range eines Brigadegenerals.

Folgerichtig passierte ein Abkommen über die unbefristete Stationierung von Kampfflugzeugen auf einer russischen Basis in Syrien am Mittwoch auch die zweite Parlamentskammer in Moskau. Die von Präsident Wladimir Putin vorgelegte Vereinbarung legitimiere Russlands Militäreinsatz juristisch, sagte Senator Konstantin Kossatschow am Mittwoch laut Interfax. Für das Abkommen stimmten im Föderationsrat 158 Abgeordnete, ein Senator enthielt sich. In der vergangenen Woche hatte bereits die Staatsduma zugestimmt.

Der Vertrag zur ständigen Nutzung von Militärobjekten in Syrien sieht neben der neuen Flottenbasis den Ausbau der Luftwaffenbasis Chmeimim und des Marine-Versorgungsstützpunktes in der Nähe des Mittelmeerhafens Tartus vor. Das Vorhaben wird mit ständiger russischer Präsenz im östlichen Mittelmeer begründet, und Tartus ist außerhalb der Grenzen der früheren Sowjetunion die einzige Basis zur materiell-technischen Versorgung der russischen Kriegsflotte, wie Experten unterstreichen.

Der Anspruch des russischen Militärs, »überall zu sein«, beschränkt sich dabei nicht auf Syrien und den Mittelmeerraum. So will Moskau auch die nach dem Ende der Sowjetunion aufgegebenen Stützpunkte in Kuba und Vietnam erneut nutzen. Verhandlungen dazu würden bereits laufen, behaupten unabhängige Militärexperten.

Kreml und Verteidigungsministerium wollen sich aber vorerst wohl darauf konzentrieren, was derzeit machbar ist: eine mehr symbolische Präsenz. Im vietnamesischen Kamran und im kubanischen Cienfuegos soll vorerst nur ingenieurtechnisches Personal stationiert werden.

Ausschlaggebend für das Vorhaben sei für Moskau ohnehin eine politische Botschaft gewesen. Denn Kuba, so sieht es der Leitartikler der Wirtschaftszeitung »rbk«, sei so etwas wie »die Gürtelschnalle an der Taille der USA«. Mit verstärkter Marinepräsenz vor den Küsten Vietnams - den Vertrag zur Wiederinbetriebnahme der Basis in Kamran unterzeichnete dessen Regierung mit Russland bereits 2013 - wolle Moskau vor allem China in Schach halten.

Trotz negativer Erfahrungen der Sowjetunion, schreibt die »Nesawissimaja Gaseta«, verhandle Moskau auch mit Ägypten über die Wiederherstellung und Mitnutzung von Militärobjekten am Mittelmeer im Raum Sidi-Barrani verhandeln. Der Stützpunkt soll 2019 wieder in Betrieb genommen werden. Er liegt ganze 87 Kilometer von der Grenze zu Libyen entfernt.

Der Vizechef des außenpolitischen Duma-Ausschusses Alexei Tschep kann sich sogar die Wiederinbetriebnahme weiterer, in der Götterdämmerung der Perestroika aufgegebener Militärobjekte in Lateinamerika, Südostasien und Afrika vorstellen. Dazu habe es kurz vor Ende der vergangenen Legislaturperiode bereits eine nicht öffentliche Anhörung von Spitzenbeamten des Verteidigungsministeriums gegeben, sagt ein inzwischen abgewählter Volksvertreter. Dabei sei es konkret um Versorgungsstützpunkte für Marine und Luftwaffe in Angola gegangen. Auf der Wunschliste hätten zudem Argentinien. Venezuela, Singapur und die Seychellen gestanden. Derzeit werden russische Marineverbände bei Missionen in entfernten Meeren von Tankern und Versorgungsschiffen begleitet. Die Abgeordneten, so der Ex-Kollege, hätten das Vorhaben mit den über 650 Truppenbasen der USA im Ausland begründet.

Das Streben nach militärischer Präsenz im Ausland sei Teil des Konflikts zwischen Moskau und dem Westen, glaubt die Wirtschaftszeitung »Wedomosti«. Altpräsident Michail Gorbatschow sprach dem Blatt gegenüber von einem »Kollaps des gegenseitigen Vertrauens«. Die Welt stehe an einer gefährlichen Grenze.

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