Die Sieger und die Mühen der Ebene
Auf dem Parteitag der Schottischen Nationalisten in Glasgow wird es auch um die Folgen des Brexit-Votums gehen
Wer ist die erfolgreichste Partei Britanniens? Es ist weder die zerstrittene konservative Partei, die die Regierung stellt, noch die ebenfalls gespaltene Labour Party. Es ist die Schottische Nationalpartei (SNP) mit 55 von 58 möglichen schottischen Mandaten im Londoner Parlament sowie knapp der Hälfte der Sitze im Edinburgher Äquivalent. An diesem Donnerstag kommt die Partei in Glasgow zu ihrem bis Samstag währenden Parteitag zusammen. Ihre Erste Ministerin Schottlands, Nicola Sturgeon, und ihr Londoner Fraktionschef Angus Robertson können sich zufrieden zurücklehnen. Eine abgeschlaffte Labour- und eine durch Thatcher diskreditierte Tory-Opposition in Schottland bieten ihnen kaum Gefahr.
Hier muss einem Missverständnis vorgebeugt werden. Nationalisten in Europa sind oft rückwärtsgewandte, fremdenfeindliche Rechte vom Schlage einer Frauke Petry, Marine Le Pen oder eines Nigel Farage von UKIP. Die SNP ist aber nicht am rechten Rand angesiedelt, sondern eine Volkspartei der linken Mitte. Trotz oder wegen der verlorenen Unabhängigkeitsabstimmung im September 2014 hat sie Labour beim Baden erwischt und deren sozialdemokratische Kleider - samt Wahlkreisen und Ämtern - geklaut. Die SNP will die britischen Atom-U-Boote im Stützpunkt Faslane an der Clyde nicht mehr dulden. Hier spielt das Sankt-Florian-Prinzip sicher eine Rolle, aber die Atomgegner sind anders als bei Labour in der Mehrheit. Sturgeon hat im Gegensatz zum arroganten Vorgänger Alex Salmond nach zweijähriger Amtszeit noch wenige Feinde. Und eine Abgeordnete wie die Chirurgin Philippa Whitford, die sich freiwillig für Kranke in Palästina engagiert hat, wäre eine Zierde für jede Partei.
Nach dem von 62 Prozent der Schotten abgelehnten Brexit-Votum preschte die sonst kühl kalkulierende Sturgeon mit dem Ruf nach einer neuen Unabhängigkeitsabstimmung vor, um die Scharte von 2014 auszuwetzen. Die von bösen Engländern majorisierten Schotten zeigten aber keine besondere Lust auf einen weiteren Urnengang. Jackson Carlaw, stellvertretender schottischer Tory-Chef, höhnte, die Erste Ministerin solle sich darauf konzentrieren, ihre bestehenden Kompetenzen in der Innen- und Sozialpolitik voll auszuspielen, statt sich als Gegenspielerin von Premier May auf europäischer Bühne profilieren zu wollen.
Gefährlichere Schelte kam aus den eigenen Reihen. Der ehemalige schottische Justizminister Kenny MacAskill bemängelte Sturgeons angebliche »Furchtsamkeit« im Angesicht der konservativen Kürzungen. Er warnte seine Partei davor, wie Labour die Austerität nur effizienter managen statt offen bekämpfen zu wollen. Es gelte, Schottlands Wohlstand zu erhöhen - wie das zu tun sei, verriet MacAskill freilich nicht. Auch der angesehene Politikprofessor der Glasgower Universität Jim Gallagher warnte: »Volksabstimmungen spalten und polarisieren, ganz egal, wer gewinnt.« Demgegenüber sprach sich Finanzminister Derek Mackay für eine »Parteitagsbotschaft der Hoffnung« aus. Anders als die engherzigen, fremdenfeindlichen Konservativen oder die unfähigen Labour-Politiker solle man positive Akzente setzen, mit besseren Schulen und größeren Chancen für Schottlands Jugendliche, ein garantiertes Bleiberecht für alle EU-Bürger im Lande. Ein Sturgeon-Sprecher wies auch auf angebliche Reformerfolge im Bildungs-, Gesundheits- und Polizeibereich hin. Die Regierung sei zukunftsfähig aufgestellt.
Personalpolitisch geht es auf dem SNP-Parteitag um das Amt des Sturgeon-Stellvertreters. Dafür bewerben sich außer Robertson der weniger erfahrene Westminster-Abgeordnete Tommy Sheppard sowie der Europa-Abgeordnete Alyn Smith und der Stadtratsvorsitzende aus Inverclyde, Chris McEleny.
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