Wer gibt Geld für die Garnisonkirche?
Bürgerinitiative kritisiert das Einstreichen von Spenden ohne erkennbare ethische Richtlinien
Zu seinem 50. Geburtstag wünschte sich ein Kieferorthopäde aus dem niedersächsischen Celle keine Geschenke, sondern Spenden für den umstrittenen Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche. 10 315 Euro konnte er an die Stiftung Garnisonkirche übergeben. Von seinen Großmüttern habe er als Kind in Kassel gehört, wie wunderschön diese Stadt vor den »verheerenden Bombenangriffen« im Zweiten Weltkrieg gewesen sei, begründete er seine Zuwendung. »Deshalb freue ich mich, dass jetzt Potsdam den Weg geht, zur historischen Mitte zurückzufinden.«
Nach einem Luftangriff ist die barocke Garnisonkirche im April 1945 ausgebrannt. Die Ruine wurde 1968 gesprengt. Für 37,8 Millionen Euro soll der Kirchturm nun weitgehend originalgetreu nachgebaut werden. 9,6 Millionen Euro an Spenden fehlen noch, so heißt es, nicht mitgerechnet die zwölf Millionen, die der Bund überweisen will, wenn die Gesamtfinanzierung gesichert ist.
»Die Hoffnung wird Gewissheit«, formuliert Wieland Eschenburg, Stiftungsvorstand für Kommunikation. Er glaubt fest daran, dass der Bau im Herbst 2017 beginnen könne.
Derweil beschwert sich die Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche, dass es der Stiftung herzlich egal sei, von wem sie Geld nehme. Der Kieferorthopäde aus Celle etwa habe im Internet gegen Flüchtlinge gehetzt und sich als AfD-Anhänger offenbart. Nachweisen lässt sich das allerdings nicht mehr, weil die Twitter-Einträge mittlerweile verborgen sind. Ein Screenschot zeigt die Bemerkung: »Heimatnahe Unterbringung der Flüchtlinge ermöglicht einen schnelleren Wiederaufbau des Landes nach Ende des Krieges.« Daran lässt sich aber nicht ohne weiteres etwas aussetzen. Simon Wohlfahrt von der Bürgerinitiative kann nur beteuern, die Einträge seien in der Gesamtschau eindeutig gewesen. Wohlfahrt kritisiert grundsätzlich, die Stiftung habe ethische Richtlinien für die Spendeneinwerbung bisher erkennbar nicht befolgt. Ein erheblicher Teil der Gönner vertrete zweifelhafte rechte Ansichten. Inzwischen werde der Name von Großspendern einfach nicht mehr genannt, was intransparent sei.
Eschenburg sagt zu dem Vorwürfen: »Wir betreiben keine Gesinnungsschnüffelei.« Mittel, die mit unannehmbaren Auflagen verbunden seien, nehme man jedoch nicht an. Bewiesen habe die Stiftung das, als sie das Geld der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG) des rechtsnationalen Ex-Bundeswehroffiziers Max Klaar ausschlug, weil die TPG das auf Versöhnung orientierte Konzept der evangelischen Landeskirche für die Nutzung des Gotteshauses ablehnte. Das wären rund acht Millionen Euro gewesen, erinnert Eschenburg, also ungefähr die Summe, mit der die Finanzierungslücke jetzt geschlossen wäre.
Dass diejenigen anonym blieben, die zuletzt 1,5 Millionen Euro für die Aussichtsplattform und 250 000 Euro für die Bibliothek der Kirche gespendet haben, sei deren Wunsch gewesen, so Eschenburg. Sie wollten anschließend nicht von allen möglichen Seiten angebettelt werden. Man wolle die Betreffenden später einmal mit Interviews in Publikationen der Stiftung vorstellen. Die Namen sollen nicht ewig geheim bleiben, sagt er. Ihn ärgert, wenn die Garnisonkirche auf ein berühmtes Foto reduziert werde. Es zeigt Adolf Hitler, wie er am 21. März 1933 an der Garnisonkirche den Diener vor Reichspräsident Paul von Hindenburg machte.
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