Mit der Straßenbahn ins Nirgendwo
Auch in Mecklenburg-Vorpommern finden sich dubiose Fälle von Steuerverwendung
Schwerin. Der Kauf eines einsturzgefährdeten Hauses ohne vorherige Besichtigung, ein Radweg für 1,8 Millionen Euro, ein teurer Hafenausbau und falsch verlegte Straßenbahngleise - in seinem dieser Tage vorgelegten Schwarzbuch 2016 führt der Bund der Steuerzahler vier Fälle mutmaßlicher Steuerverschwendung in Mecklenburg-Vorpommern an.
Auf gleich zwei Einträge bringt es die Landeshauptstadt. »Beim Neubau einer Eisenbahnbrücke verlegte die Stadt Schwerin die Straßenbahnschienen auf die andere Fahrbahnseite«, berichtet der Steuerzahlerbund. »Dumm nur, dass der Anschluss an die Gleisanlagen in der gerade erst 2013 fertiggestellten Fußgängerzone so nicht mehr möglich ist.« Nun müsse die Fußgängerzone wieder aufgerissen werden, um den Gleisanschluss herzustellen. Die Zusatzkosten belaufen sich laut Schwarzbuch auf 137 000 Euro. Fazit: Mit einer Planung aus einem Guss wäre dies vermieden worden.
Im zweiten Schweriner Fall geht es um den Bau eines 1,8 Millionen Euro teuren Radweges mit Brücke an einem der Seen der Stadt. »So schön man sich die Streckenführung vorstellen kann, so fragwürdig ist aber auch der tatsächliche Nutzen für die Radfahrer«, gibt der Steuerzahlerbund zu bedenken. Denn es gebe bereits einen Radweg um den See herum, der keine 1000 Meter länger sei. »Die Abkürzung würde nicht einmal fünf Fahrminuten einsparen.«
Die Landeshauptstadt wehrt sich gegen die Vorwürfe. Es gehe bei dem kritisierten Radweg-Neubau um ein zusätzliches touristisches Angebot und nicht um eine möglichst kurze Verbindung, sagte Vize-Oberbürgermeister und Wirtschaftsdezernent Bernd Nottebaum. Schwerin habe bei der Ausschöpfung seines touristischen Potenzials noch Aufholbedarf. Auch die Kritik an der Gleisverlegung ließ Nottebaum nicht gelten: »Wenn man einmal in 100 Jahren die Chance hat, die Gleise - wie es im Straßenverkehr üblich ist - auf die rechte Seite zu verlegen, dann wäre es sträflich, diese Chance nicht zu nutzen.«
Die Stadtverwaltung von Boizenburg (Landkreis Ludwigslust-Parchim) räumte Fehler beim Kauf einer alten Scheune als Lagerhalle für die örtliche Freiwillige Feuerwehr ein. Nach dem Kauf erwies sich das Gebäude als einsturzgefährdet. Niemand von der Behörde hatte es zuvor in Augenschein genommen. »Hier liegt ein Fehler, der zukünftig nicht mehr vorkommt«, räumte das Bau- und Ordnungsamt der Kleinstadt an der Elbe ein. Allerdings sei das Gebäude für nur 15 000 Euro erworben worden, die anderen 15 000 Euro des Kaufpreises betrafen demnach das Grundstück in idealer Lage direkt gegenüber der Feuerwehr.
In Waren (Müritz) stießen den Autoren des Schwarzbuches die fast zehn Millionen Euro für den Ausbau des Stadthafens auf. »Ein stolzer Preis für 70 neue Liegeplätze«, kritisiert der Bund der Steuerzahler. Bürgermeister Norbert Möller sagte, es gehe bei dem Ausbau nicht nur um 70 Liegeplätze. Ausgangspunkt sei gewesen, dass die Sicherheit im Stadthafen mit seinen in die Jahre gekommenen schwimmenden Anlegern nicht mehr gegeben gewesen sei. Bei der Gelegenheit sei nun auch in die Infrastruktur investiert worden, was wichtig für die Stadt sei. dpa/nd
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