Kein Platz für Buhrufe gegen Orban
Ungarns Medien zeigen staatstreue Beflissenheit
Wien. Die Einstellung von Ungarns größter Oppositionszeitung »Nepszabadsag« will die Redaktion nicht tatenlos hinnehmen. »Wir wollen weitermachen und wollen weiter unangenehm sein«, sagte der beurlaubte stellvertretende Chefredakteur Marton Gergely am Freitag in Wien. Die fast 100 Mitarbeiter und Redakteure hätten den Eindruck, dass die Einstellung des Blattes von langer Hand aus politischen Gründen geplant gewesen sei, um die freie Presse zu treffen.
Es habe viele Schritte gegeben, um der Zeitung ihr Vermögen zu nehmen und sie rechtlich auszuliefern, sagte Gergely. So habe der Eigentümer, die seit 2014 der österreichischen Investmentfirma VCP gehörende Mediaworks AG, bei der MKB Bank eine Hypothek aufgenommen und als Sicherheit die Markenzeichen und Ausgaberechte der Zeitungen hinterlegt. Die Bank wiederum gehöre zum Umfeld des Regierungschefs Viktor Orban. Dem Blatt mit einer Auflage von knapp 40 000 Exemplaren gehe es wirtschaftlich lange nicht so schlecht wie behauptet. Mediaworks betonte am Freitag, dass »Nepszabadsag« aufgrund signifikanter Verluste lediglich temporär suspendiert und nicht eingestellt worden sei. Die Redaktion sei aufgefordert, gemeinsam ein neues Geschäftsmodell zu erarbeiten. Ungarns Regierung hat indes jede Verantwortung für die Schließung zurückgewiesen.
Unterdessen haben Ungarns staatlich kontrollierte Medien anscheinend einen Affront gegen Ministerpräsident Viktor Orban verschwiegen. Der Premier sei am Donnerstagabend bei der Einweihung des Fußballstadions für den Klub MTK Budapest ausgepfiffen und ausgebuht worden, berichteten die wenigen noch freien ungarischen Medienorgane, darunter das Nachrichtenportal »index.hu«.
Die staatliche Nachrichtenagentur MTI erwähnte den Zwischenfall nicht, sondern brachte nur lange Zitate aus Orbans Rede im Stadion. Beim traditionellen Freitags-Interview des Regierungschefs im Rundfunk war davon auch nicht die Rede - der Reporter stellte zum Pfeifkonzert keine Fragen.
Fußball ist Orbans bekanntestes Hobby. Die von ihm initiierte staatliche Fußballförderung - darunter der Bau eines riesigen Stadions in seinem Heimatdorf Felcsut - wird von der linksliberalen Opposition kritisiert. Agenturen/nd
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