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Reif für die Insel
Emma Braslavsky lässt Weltverbesserer um ihre Projektionsfläche streiten
Der Mensch tut der Erde viel Schlimmes an: Klimaerwärmung, Ressourcenverbrauch, Ausrottung von Tieren. Da stellt Emma Braslavsky die Figuren in ihrem neuen Roman ziemlich auf die Probe: setzt ihnen das Paradies, die Erlösung von allen globalen Dramen direkt vor die Nase und lässt sie scheitern - an sich selbst, an ihrem störenden Menschsein.
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* Emma Braslavsky: Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen. Roman. Suhrkamp Verlag. 450 S., geb., 24 €.
In »Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen« entwirft Braslavsky eine tragisch-komische Dystopie. Zahlreiche Menschen und Organisationen in einer nicht näher definierten Zukunft planen den Start in eine bessere Welt. Wo ließe sich so etwas besser realisieren als auf einem unberührten Stück Land, einem Ort, wo Menschen die Zeit auf Null stellen und ihre diversen Sündenfälle vergessen können. Genau so ein Paradies wird zu Beginn des Buches von einem Orkan freigelegt - eine Insel mitten im Ozean. Die perfekte Projektionsfläche für Gesellschaftsexperimente und Weltverbesserungsvorstellungen jeder Art.
Und von solchen gibt es in Braslavskys Zukunft mehr als genug. Norman Tanner, ein größenwahnsinniger Selbstdarsteller, will sich als Kopf der esoterischen Aussteigersekte »Better Place« einen Platz in den Geschichtsbüchern und den Betten der Frauen sichern. Die Gegenspielerorganisation »Life from Zero« plant ein sozio-ökonomisches Gesellschaftsexperiment, und bietet damit auch zwei Wissenschaftlern eine Chance, die mit optimiertem Erbgut an der Züchtung des perfekten Menschen tüfteln. Eine skurrile Vision übertrifft die nächste, denn natürlich stehen die Weltverbesserungsprojekte auch in einem Wettkampf - um Fans, Mitglieder, Medienrummel.
Gar nicht skurril und auch gar nicht futuristisch sind dagegen die Menschen, die auf Sinnsuche zwischen diesen Projekten umherirren. Da ist einmal Jivan, ein Mittdreißiger, der mit Weltverbesserung eigentlich nicht viel am Hut hat, dafür umso mehr Spielschulden und ständige Lust auf Sex. Ihm geht es vor allem um eines: sein Image als cooler Macher aufrechtzuerhalten, besonders vor seiner Frau Jo, die er belügt und manipuliert. Jo hingegen begeistert sich jede Woche für eine neue Zukunftsvision und ergattert mit Hilfe ihres kreativen Mannes prestigeträchtige Jobs in der Weltverbessererszene. Auf der anderen Seite des Globus macht sich derweil die gerade volljährige Roana auf die Suche nach einer sinnstiftenden Tätigkeit und findet sich nach zahlreichen Rückschlägen als Hauptfigur des großen Neuanfangs wieder. Der jedoch gerät im Wettlauf um das Paradies zu einer Neuauflage des Titanic-Untergangs.
Schonungslos, trocken und mit viel Ironie kreiert Braslavsky einen globalen Zirkus, in dem der Wunsch der Menschen nach einem erlösenden Neuanfang immer wieder an ihren eigenen Unzulänglichkeiten scheitert. Neid, Sinnsuche, Selbstverwirklichungsdrang und Heuchelei in so vielen Facetten, dass sich trotz vermeintlicher Zukunftsmusik jeder darin wiedererkennen kann. Braslavsky aber belehrt oder verurteilt nicht, sondern packt die großen Fragen des Heute und Morgen in leichtfüßigen Humor.
Ein Buch wie ein 1000-Teile- Puzzle. Ein wildes Zusammenspiel von Handlungsfetzen und Schicksalen, die sich nach und nach zu einem Ganzen fügen. Braslavsky schafft dabei auch sprachlich ein großes Formexperiment. Gekonnt springt sie zwischen dem Slang einer Jugendlichen, den altersmilden Selbstgesprächen eines sterbenden Mannes, zwischen fingierten Zeitungsartikeln und Tagebucheinträgen. Trotz perfektionistischer Komposition, an einigen Stellen wäre ein bisschen weniger wohl mehr gewesen, um den Roman nicht zu überfrachten. Nichtsdestotrotz: Emma Braslavsky rückt die große Frage nach neuen Gesellschaftsentwürfen so unaufgeregt und witzig ins Zentrum wie kaum ein anderer.
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