Die Hütte und der Freund von Böhnhardt
NSU-Recherchen: Endlich muss man den Spuren des Kinderspielzeugs folgen
Erfurt. Eine Sonderkommission in Thüringen wird ab Montag alle ungeklärten Fällen von Kindstötungen seit 1990 untersuchen. Das ist eine Konsequenz aus den DNA-Spuren, die am Fundort der neunjährigen Peggy aus dem nordbayerischen Lichtenberg sichergestellt worden waren. Peggy verschwand im Mai 2001. Erst im Juli dieses Jahres fand man Teile ihres Skeletts in einem Thüringer Waldstück nur rund 15 Kilometer vom Heimatort des Mädchens entfernt.
Auswertbare DNA-Spuren gehören zu Uwe Böhnhardt, einem Mitglied des NSU-Kerns. Er soll nach der Entdeckung des Nationalsozialistischen Untergrundes in Eisenach von seinem Komplizen Uwe Mundlos in einem Wohnmobil erschossen worden sein, bevor der sich selbst richtete. Heißt es.
Die Sonderkommission ist bei der Polizei in Jena angesiedelt, wo Böhnhardt, Mundlos und die in München angeklagte Beate Zschäpe aufgewachsen sind. In jener Zeit ereigneten sich zwei bislang ungeklärte Kindsmorde. So verschwand im August 1996 die zehnjährige Ramona K. Erst im Januar 1997 wurde ihre Leiche in einem Waldstück bei Großburschla entdeckt. Bereits 1993 fand man an der Saale die Leiche des neunjährigen Bernd B. Ein Schulfreund von Böhnhardt, Enrico T., geriet in Verdacht. Der behauptete jedoch, Böhnhardt habe falsche Spuren zu ihm gelegt. Neugierig macht nun: T. soll in der Nähe des Fundortes von Peggy eine Hütte besessen haben. Außerdem hatte er Kontakte zum NSU-Umfeld und war vermutlich an der Waffenbeschaffung für die Terrortruppe beteiligt.
Wieder ins Visier gerät Kai Dalek. Der V-Mann des Bayerischen Verfassungsschutzes hatte - bereits vor dem Verschwinden von Peggy - den Decknamen »Undertaker« (Totengräber). Er betrieb eine Firma in Steinwiesen, das ist gut 20 Kilometer von Peggys Wohnort entfernt. Noch näher ist es zum Fundort ihrer Leiche. Dalek war befreundet mit Tino Brandt, dem Chef des Thüringer Heimatschutzes, in dem die Neonazikarriere von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe begann. Brandt war V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes und ist im Dezember 2014 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, Beihilfe zu sexuellem Missbrauch und Förderung von Prostitution in 66 Fällen zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.
Brandt war sowohl in Nordbayern, als auch im Kreis Saalfeld-Rudolstadt als Neonazi aktiv. Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelte zwar zwischen 1995 und 1997 gegen Kai Dalek, der auch Mundlos kannte, und Brandt. Grund: »Bildung einer kriminellen Vereinigung«. Doch wegen der V-Mann-Tätigkeit wurde das Verfahren eingestellt. Auch bei anderen Gelegenheiten versäumte man es geradezu zielstrebig, Verbindungen zwischen dem NSU und der Organisierten Kriminalität nachzugehen.
Kinder und NSU - das ist ein immer wieder genanntes Thema, das jedoch offenbar auf Geheiß des Generalbundesanwalts nie tiefgründig untersucht wurde. Neben der kinderpornografischen Datei auf einem Rechner, der im letzten Quartier des NSU in Zwickau gefunden wurde, fanden sich dort auch ein Kinderbuch, ein Spielzeughubschrauber, ein Karten- und Memoryspiel, Spielzeugwaffen sowie ein Bild, das augenscheinlich von einem Kind gemalt worden ist. Im Keller der Wohnung standen fünf Fahrräder, eins davon für Kinder. Bei der Anmietung des Wohnmobils war ein kleines Mädchen dabei, im Fahrzeug fand sich weiteres Spielzeug - doch nirgends eine Spur zu Kindern. Das könnte sich nun ändern. Zahlreiche Indizien zwingen dazu. hei
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