Poroschenko unter Troll-Verdacht
Meinungsmacher sollen im ukrainischen Internet Stimmung für den Präsidenten machen
Bereits seit fast zwei Jahren hat sich der Begriff »Porochoboty« fest im ukrainischen Internet etabliert. Mit einer gewissen Ironie wurden damit ukrainische Blogger und andere Meinungsmacher bezeichnet, die die Politik des Präsidenten Petro Poroschenko im Internet, überwiegend auf Facebook, verteidigten. Mittlerweile hat das Wort »Porochoboty« allerdings seinen ironischen Inhalt eingebüßt.
Denn es wird in der Ukraine schon länger recht ernsthaft vermutet, dass Poroschenko ein eigenes Blogger-Netzwerk etabliert hat. Dessen Ziel soll es angeblich sein, die Meinungen der Ukrainer im Internet zu beeinflussen - vor allem bei jenen Vorhaben, die Poroschenko nur unter großen Schwierigkeiten durchsetzen kann.
Zu ihnen zählt in erster Linie die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen. Die Erteilung eines Sonderstatus für den Donbass und die Austragung von kommunalen Wahlen in der Ostukraine sind zwei Bedingungen, die in der ukrainischen Öffentlichkeit erkennbar auf wenig Gegenliebe stoßen.
So war es keine große Überraschung, dass nach dem jüngsten Besuch des deutschen Außenministers Franz-Walter Steinmeier und seines französischen Amtskollegen Jean-Marc Ayrault fast alle Blogger, die in die Kategorie »Porochoboty« fallen, der Erfüllung der Vereinbarungen von Minsk auf Facebook zugestimmt haben. Doch reichen allein die logischen Vermutungen, um deutlich einen Verdacht aussprechen zu dürfen?
»Es ist eine Erfindung der Journalisten«, betont Dmytro Solotuchin, Berater des Ministers für Informationspolitik, Jurij Stez. »Ich schließe zwar nicht aus, dass ausgewählte Personen etwas gegen Geld auf Facebook posten. Und ich kann mir sogar vorstellen, dass jemand genug Geld für ein solches Netzwerk hat. Doch technologisch gesehen ist das in solchem Umfang zu kompliziert.«
Die Gründung des Ministeriums für Informationspolitik, das von einem engen Vertrauten von Poroschenko geführt wird, war allerdings die Idee des Präsidenten - und es hat durchaus ähnliche Aufgaben. Das Ministerium versucht größtenteils, russische Trolle im Internet zu bekämpfen - zumeist allerdings mithilfe eigener Trolle.
Unbestätigten Medienberichten zufolge würde allerdings nicht Jurij Stez, sondern sollen zwei andere das »Porochoboty«-Netz anführen. Der ehemalige Journalist und Politkonsultant Oleh Medwedew soll angeblich nicht nur die meisten Reden des ukrainischen Präsidenten schreiben, sondern auch die Richtung der Netzaktivitäten der »Porochoboty« vorgeben. Umgesetzt werden Medwedews Vorschläge ganz offenbar vom freien Journalisten Wiktor Ukolow, der direkte Anweisungen an die Blogger und Medienaktivisten geben soll.
Technisch soll das Projekt vom Kiewer Marketingunternehmen Postmen unterstützt werden. Postmen-Gründer Jaroslaw Wedmid seinerseits streitet zwar die Beteiligung seiner Firma am Blogger-Netz ab, gibt jedoch zu, an der Internet-Strategie von Poroschenko mitgearbeitet zu haben. »Er hat mehr als 1,5 Millionen Follower in den wichtigsten sozialen Netzwerken. Das kann keine ukrainische Marke vorweisen«, sagt Wedmid.
Wer aber sind die Blogger, die unter dem Begriff »Porochoboty« fallen? Sie alle haben mehr als 10 000 Follower auf Facebook - und während Leute wie Jurij Birjukow, der sich einen Namen als freiwilliger Helfer machte und später zu Poroschenkos Berater wurde, öffentliche Figuren sind, bleibt ein großer Teil des angeblichen Netzes weitgehend anonym.
So ist der tatsächliche Name des bekannten Bloggers Bohdan Karpenko (14 000 Follower) unbekannt, während Aljona Mochowa (30 000 Follower) nach eigenen Angaben zwar wirklich Aljona heißt, doch einen anderen Nachnamen hat. »Es geht nicht um den Namen an sich, ich will keine öffentliche Person werden«, berichtet Karpenko in der Internet-Zeitung »Apostrophe«. Sie wolle nur »nicht wie andere Freunde und Kollegen bedroht werden«.
Die meisten Blogger, die mit dem angeblichen Poroschenko-Netz in Verbindung gebracht werden, reagieren auf die Vorwürfe mit Humor. »Es ist mir egal, was über mich gesprochen wird. Aber es macht mir großen Spaß, die Öffentlichkeit ein wenig zu trollen«, sagt Birjukow.
Der Blogger Filipp Duchlij zeigt sich stolz: »Das freut mich. Die sogenannten ›Porochoboty‹ sind alle ziemlich klug - und versuchen nicht, irgendwelche Sensationen zu verkaufen.« Der Verdacht, dass ein solches Blogger-Netzwerk tatsächlich existiert, wird damit angesichts solche Aussagen nicht unbedingt entkräftigt.
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