De Maizière entdeckt den Islamfeind

Übergriffe auf Muslime sollen ab 2017 in der Kriminalstatistik in einer eigenen Rubrik erfasst werden

  • Fabian Köhler
  • Lesedauer: 3 Min.

Die jährliche Kriminalitätsstatistik des Bundesinnenministerium ist ein Fest für Zahlenfreunde. Auf 131 Seiten findet sich dort so ziemlich alles, was man braucht, um das Phänomen Kriminalität in Deutschland in seine statistischen Bestandteile zu zerlegen: von der Entwicklung des illegalen Arzneimittelhandels über den prozentualen Anstieg der Raubüberfälle auf Postfilialen bis hin zu einer Auflistung aller Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit ionisierender Strahlung. Nur nach einer Kategorie suchte man in der Kriminalitätsstatistik bisher vergeblich: »islamfeindlich motivierte Straftaten«.

Dies soll sich nun ändern. Wie Thomas de Maizière am Mittwoch ankündigte, plant die Bundesregierung die Statistik über »Politisch Motivierte Kriminalität« ab Januar 2017 zu erweitern. Erstmals würde dann »die Anzahl der Angriffe nicht nur auf jüdische, sondern auch auf muslimische Opfer und Einrichtungen getrennt aufgeführt«, sagte der Bundesinnenminister der »Berliner Zeitung«.

Die Bundesregierung kommt damit einer Forderung nach, die Grüne und LINKE, Islamverbände und Antirassismusinitiativen bereits seit Jahren erheben. Ihre Kritik: Wenn bisher Moscheen mit Graffiti beschmiert, Schweineköpfe vor islamische Kulturzentren gelegt oder Frauen auf offener Straße verprügelt wurden, weil sie ein Kopftuch tragen, suchte man nach einer zusammenfassenden Auflistung dieser Fälle und damit des Problems der Islamfeindlichkeit vergeblich. Die Forderung, so motivierte Straftaten getrennt zu erfassen, hatte erstmals 2010 bundespolitische Bedeutung erlangt. Nachdem die Berliner Şehitlik Moschee innerhalb eines Jahres viermal Ziel von Anschlägen wurde, hatten der Koordinationsrat der Muslime (KRM) und die türkische Gemeinde auf die Einführung einer solchen Kategorie gedrängt. Die Innenministerkonferenz wiegelte allerdings ab. Zu einer Zeit, als etwa alle zweieinhalb Wochen eine Moschee Ziel eines Angriffes wurde, verwies sie auf die niedrige Zahl bekannt gewordener Delikte mit antimuslimischem Hintergrund.

Auch als sich 2013 der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und im Jahr darauf der Landtag Nordrhein-Westfalens der Forderung anschlossen, blieb die Bundesregierung bei ihrer Haltung und verwies darauf, dass es kein Instrument zur Messung von anti-muslimisch motivierten Straftaten gebe. Genau diese Messung ist bei antisemitisch motivierten Straftaten allerdings schon seit Jahren möglich. Und auch offizielle Zahlen zu islamfeindlichen Straftaten gibt es längst: So zählte das BKA seit 2001 rund 400 Angriffe auf Moscheen in Deutschland. Eine Zahl, die nach Angaben des Rechercheverbunds Correctiv allerdings wohl viel zu niedrig ist.

Erst als sich 2015 auch ein zuständiges Fachgremium der Bundesregierung für die gesonderte Erfassung islamfeindlicher Straftaten aussprach, geriet Bewegung in die Kriminalitätsstatistik. Es sollte allerdings noch rund ein weiteres Jahr dauern, bis die Bundesregierung im April dieses Jahres andeutete, die Statistik über »Politisch Motivierte Kriminalität« in der Rubrik »Hasskriminalität« um die Kategorie »islamfeindlich« erweitern zu können. Auf eine Kleine Anfrage der LINKE-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke antworte das Innenministerium, im Juni werde die Innenministerkonferenz darüber beraten. Dass es zur neuen Erfassung tatsächlich ab Januar 2017 kommt, hat Thomas de Maizière nun offiziell bestätigt.

Mit dieser automatisch eine stärkere Bekämpfung von islamfeindlichen Straftaten zu erwarten, wäre allerdings verfrüht. Dies zeigt ebenfalls eine Statistik der Bundesregierung. In der erwähnten Kleinen Anfrage gefragt, wie viele mutmaßlich antimuslimische Straftaten im ersten Quartal 2016 Ermittlungsverfahren auslösten, lieferte das Innenministerium eine statistisch valide Antwort: keine einzige. Kommentar Seite 4

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