Grüne Wiese lässt auf sich warten
Zahlreiche Einwendungen gegen Rückbaumethoden des AKW Grafenrheinfeld
»Wir erhoffen uns nicht viel«, sagt Edo Günther. Der Vorsitzende der Kreisgruppe Schweinfurt des Bund Naturschutz (BN) hat mit vielen anderen beim öffentlichen Erörterungstermin zum Rückbau des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld seine Kritik erläutert. Die offizielle Veranstaltung begann am Dienstag und wird wegen der vielen Einwände vermutlich noch bis Mittwochabend dauern.
Was bei dem Termin dann geschah, hatte auch nichts mit Hoffnung nichts zu tun. Ein Vertreter von PreussenElektra - unter diesem Namen bündelt E.on seit dem Sommer sein deutsches Atomgeschäft - wollte nicht mal ausschließen, dass das abgeschaltete AKW wieder hochgefahren wird, falls die Konzerne mit der Verfassungsbeschwerde gegen den Atomausstieg Erfolg haben sollten.
Insgesamt waren in der Öffentlichkeitsbeteiligung des Genehmigungsverfahrens rund 300 Einwendungen eingereicht worden. Sogar der Kreistag des unterfränkischen Landkreises Schweinfurt, in dem das Atomkraftwerk steht, hält den Rückbauantrag des Betreiberkonzerns für »nicht genehmigungsfähig«.
Die Kritiker stören sich dabei vor allem daran, dass E.on das AKW, das im Sommer 2015 im Rahmen des Atomausstiegs vom Netz gegangen war, im »direkten Rückbau« abbauen will. Dabei werden die Bauteile vor Ort zerlegt und möglichst gereinigt. Der Druckwasserreaktor, der einmal eine Bruttoleistung von 1345 Megawatt lieferte, soll E.on zufolge bis zum Jahr 2027 abgerissen sein - dann soll die Anlage »aus dem Atomrecht entlassen« werden. Der Rückbau soll im Jahr 2018 beginnen.
Der BN kritisiert, E.on habe sich ohne Begründung auf diese Methode des Rückbaus festgelegt: »Es findet keine Alternativenprüfung statt«, sagt Günther. Die wären etwa der »sichere Einschluss«, bei dem das gesamte Kraftwerk von der Umwelt abgeschottet wird, oder eine Kombination aus beiden Methoden.
»Wir kritisieren, dass es nur um den Rückbau geht, die Zusammenhänge zur Lagerung des Atommülls wurden nicht beachtet«, so Günther weiter. Darum geht es auch dem Landkreis Schweinfurt. Neben dem Atomkraftwerk gibt es am Standort Grafenrheinfeld seit 2006 ein Brennelementelager (BELLA). Hier werden ausgebrannte Brennelemente zwischengelagert. Die Genehmigung dafür reicht bis 2046 - also viel länger, als das Kraftwerk nach den aktuellen Plänen noch stehen soll. Nach Ansicht des Kreistages ist aber das Reaktorgebäude, das 2027 folglich abgerissen sein soll, notwendig, um beschädigte Castorbehälter aus dem Zwischenlager zu reparieren. Da mit Sicherheit davon auszugehen sei, dass bis dahin kein Endlager gefunden ist, sei der Rückbau des Reaktorgebäudes nicht zu verantworten.
E.on sieht darin kein Problem und verweist auf die vorhandene Genehmigung für das Zwischenlager: »Bei der Errichtung des Standort-Zwischenlagers BELLA ist bereits berücksichtigt worden, dass das Kraftwerk nicht mehr bis zur Auslagerung der Lagerbehälter am Standort verfügbar ist«, erklärt eine Sprecherin. Daher sei ein Reparaturkonzept favorisiert worden, das auch ohne das benachbarte Kraftwerk auskommt.
Nach Angaben des Bund Naturschutz soll ein Großteil des radioaktiven Mülls im Zwischenlager verbleiben; wegen der ungelösten Endlagerfrage würden die Abfälle hier länger als bis 2046 liegen. Das sehen die Umweltschützer kritisch: BELLA sei nicht genug gegen Einwirkungen Dritter - etwa Flugzeugabstürze oder Terrorattacken - geschützt.
Darüber, ob die Einwendungen beachtet werden, entscheidet das bayerische Umweltministerium. Günther kritisiert, dass die aktuelle Erörterung die letzte Chance ist, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen: »Es gibt nur ein einziges Mal eine Öffentlichkeitsbeteiligung, obwohl die Maßnahmen bis Ende der 2020er-Jahre dauern werden.« Man werde deshalb prüfen, ob man gegen Punkte des Feststellungsbescheids klagen könne.
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