Obama geht, die Blockade bleibt
Trotz UN-Verurteilung stehen für Washingtons Kuba-Politik nur Retuschen zur Debatte
Marta L. Baguer, Professorin für Mathematik an der Universität Havanna, hat zusammen mit ihrem Team eine Software zur Früherkennung von Gebärmutterhaltkrebs entwickelt. Als die Kubaner vor einigen Monaten das deutsche Unternehmen Leisegang, Weltmarktführer für den Bau von Kolposkopen, optischen Geräten, die unter anderem bei der Krebserkennung eingesetzt werden, wegen einer möglichen Zusammenarbeit kontaktierten, mussten sie feststellen, dass das Unternehmen in die USA (an Cooper Surgical, Anm.) verkauft worden war. »Und da die Blockade weiterhin besteht, wurde uns mitgeteilt, dass es dem Unternehmen nicht erlaubt sei, Beziehungen zu Kuba zu unterhalten«, sagt Baguer.
Auch knapp zwei Jahre nach Beginn des Annäherungsprozesses zwischen den USA und Kuba ist die US-Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade weiterhin intakt. Am 26. Oktober wird in der UN-Generalversammlung wieder eine überwältigende Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft für eine Aufhebung der Blockade gegenüber Kuba stimmen - zum 25. Mal. Auf Kuba selbst finden seit Wochen Veranstaltungen und Mobilisierungen der staatlichen Massenorganisationen statt, auf denen ein Ende der Blockadepolitik gefordert wird.
In der vergangenen Woche stellte sich Josefina Vidal, die für die USA zuständige Direktorin im kubanischen Außenministerium und Verhandlungsführerin Kubas bei den Gesprächen mit den USA, in der Universität von Havanna bei einer solchen Veranstaltung einem studentischen Publikum. Nur drei Tage zuvor hatte US-Präsident Barack Obama eine präsidiale Direktive zur Blockade mit dem Titel »Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba« erlassen, sowie ein fünftes Maßnahmenpaket, durch das verschiedene Aspekte der Blockade modifiziert werden.
Obamas Präsidentenerlass ist der erste seit dem von US-Präsident Jimmy Carter im Jahr 1977, der Hinweise auf einen Prozess der Normalisierung der Beziehungen zu Kuba enthält. Von Carters Vorstoß hatte die Öffentlichkeit allerdings erst 2002 erfahren, bis dahin war das Papier unter Verschluss gehalten worden.
Obamas Direktive »ist ein signifikativer Schritt in dem Prozess der Aufhebung der Blockade und hin zu einer Verbesserung der Beziehungen mit Kuba«, so Vidal. Allerdings sei sie aus einer Optik und Vision der US-Regierung heraus verfasst und könne sich daher nicht von einer Haltung der Einmischung lösen, die von jeher die Sicht der USA auf Kuba bestimmt habe. Laut Vidal erkennt jedoch erstmals ein offizielles Dokument der US-Regierung die Unabhängigkeit, Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht Kubas an, sowie die Legitimität der aktuellen kubanischen Regierung. Allerdings »verbirgt die Direktive nicht, und vom ersten Absatz an wird das sichtbar, dass es das Ziel der Politik der USA ist, seine eigenen Interessen in Kuba voranzubringen, die darin bestehen, Veränderungen in der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung unseres Landes zu fördern.« So wird es auch in Zukunft die illegalen Radio- und Fernsehprogramme gegen Kuba geben, um auf der Insel »Demokratie zu fördern«. Auch sei keinerlei Absicht erkennbar, die US-Militärbasis in Guantanamo an Kuba zurückzugeben. Diese beiden Punkte, zusammen mit einer Aufhebung der Blockade, sind von Kubas Regierung wiederholt als essentiell für eine Normalisierung der Beziehungen bezeichnet worden.
Das von Obama erlassene fünfte Maßnahmenpakt bezeichnete Vidal als zwar »positiv«, jedoch in seiner »Reichweite sehr beschränkt«. Zum größten Teil handelt es sich um eine Ausweitung bereits zuvor verfügter Lockerungen. Weiterhin verboten bleiben dagegen Investitionen von US-Unternehmen auf Kuba außerhalb des Telekommunikationssektors. Auch Beschränkungen von US-Exporten nach Kuba in den Bereichen Tourismus, Energieproduktion oder Bergbau bleiben bestehen, ebenso die Importbeschränkungen für kubanische Produkte; einzig im Bereich pharmazeutische Produkte wird es auf Druck von US-Unternehmen Ausnahmen geben. Und auch für den Finanzsektor wurden keinerlei neue Maßnahmen verkündet. »Obwohl im März Kuba die Verwendung des US-Dollars bei internationalen Transaktionen erlaubt wurde, wiederhole ich, dass Kuba bis heute weiterhin weder Bargeldzahlungen noch Überweisungen in dieser Währung an Drittstaaten vornehmen konnte«, sagte Vidal. Zudem bleibt es Kuba verboten, Konten bei US-Banken zu eröffnen.
Die erlassenen Maßnahmen kommen daher eher den USA selbst zugute als Kuba und seiner Bevölkerung, so Vidal. »Präsident Obama wird innerhalb von drei Monaten seine Amtszeit beenden, er geht, aber die Blockade bleibt. Und solange dies der Fall ist, wird Kuba vor den Vereinten Nationen seine Resolution zur Aufhebung der Blockade präsentieren.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.