Gambia will Rückzug aus Den Haag
Weltstrafgericht in der Kritik
Erst Burundi, dann Südafrika, nun also Gambia: Als dritter Staat innerhalb weniger Wochen will das westafrikanische Land aus dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wieder austreten.
Der burundische Präsident Pierre Nkurunziza hat inzwischen ein entsprechendes Gesetz unterzeichnet. In seinem Fall ist die Aktion nicht ohne Eigennutz: Das Weltstrafgericht hatte im April nach schweren Unruhen in Folge seiner Wiederwahl Ermittlungen angekündigt. Anlass für Südafrika, einst unter Präsident Nelson Mandela vehementer Unterstützer der Institution in Den Haag, ist der anhaltende Streit um den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir. Er wird wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen in der Krisenregion Darfur per internationalem Haftbefehl gesucht. Als Al-Baschir im Vorjahr Pretoria besuchte, hätte Südafrika als Unterzeichner des Rom-Statuts zur Einrichtung des Gerichtshofs den Präsidenten eigentlich verhaften lassen müssen.
Gambia nun warf dem IStGH am Dienstagabend vor, afrikanische Staaten und ihre Führungspersönlichkeiten unberechtigt ins Visier zu nehmen. Bei dieser Institution handele es sich um ein »internationales, weißes Gericht zur Verfolgung und Demütigung Farbiger, insbesondere von Afrikanern«, so Informationsminister Sheriff Bojang. Dabei hätten mindestens 30 westliche Länder Kriegsverbrechen begangen, ohne belangt zu werden. Für diese Voreingenommenheit stehe etwa die Weigerung, den britischen Ex-Premier Tony Blair wegen seiner Rolle im Irak-Krieg anzuklagen.
Eine Beschuldigung, die nicht ohne Pikanterie ist, stammt die IStGH-Chefanklägerin Fatou Bensouda doch aus Gambia, wo sie einst Justizministerin war. Allerdings lässt sich der Vorwurf auch erklären: Bisher wurden vor dem Strafgerichtshof nur Prozesse gegen Afrikaner geführt. Es ergingen vier Urteile, darunter ein Freispruch. Zuletzt wurde im Juni der frühere kongolesische Vizepräsident Jean-Pierre Bemba zu 18 Jahren Haft verurteilt. Gegenwärtig ermittelt der IStGH in neun Ländern, acht davon liegen in Afrika. Ausnahme ist lediglich Georgien.
Nach Angaben des französischen Auslandssenders RFI hatte Gambia vergeblich versucht, den Strafgerichtshof auch zu Ermittlungen gegen die Europäische Union zu bewegen - wegen der Tausenden toten Bootsflüchtlinge im Mittelmeer. Andererseits werfen Nichtregierungsorganisationen der Regierung Gambias unter dem seit 1994 herrschenden Präsidenten Yahya Jammeh regelmäßig schwere Menschenrechtsverletzungen vor.
Der Internationale Strafgerichtshof, der 2002 seine Arbeit aufnahm, verfolgt Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Unter seinen 124 Mitgliedstaaten befinden sich 34 afrikanische Länder. In Syrien etwa, wie aktuell vielfach gefordert, könnte das Gericht nur per Auftrag des UN-Sicherheitsrats tätig werden, da Damaskus dem Statut nicht beigetreten ist - wie die USA, China, Russland, Israel ... So appellierten jetzt zwar UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und der Präsident der Vertragsstaatenversammlung des Rom-Statuts, Sidiki Kaba, an die afrikanischen Staaten, das Gericht nicht zu verlassen, sondern den Dialog zu suchen. Schließlich seinen die Ermittlungen gegen mutmaßliche afrikanische Kriegsverbrecher auch auf Wunsch von Afrikanern aufgenommen worden, wie der senegalesische Justizminister Kaba gegenüber RFI sagte. Doch wie Namibia hat auch Kenia schon mit Austritt gedroht, als sein Präsident Uhuru Kenyatta ein Verfahren drohte.
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