Mini-Taj-Mahal in frischem Weiß

In Wilmersdorf wird Deutschlands älteste Moschee restauriert

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer auf das Baugerüst klettert, sollte schwindelfrei sein. Bis zur Kuppel steigt man 26 Meter hoch. Die Minarette erstrecken sich sogar mit 32 Metern in die Höhe. Von hier oben hat man nicht nur einen tollen Ausblick, man kann auch am besten sehen, was alles schon gemacht worden ist: Der Putz an der Fassade ist an vielen Stellen erneuert, Zierelemente unter dem Kuppeldach erstrahlen im neuen Weiß. Das Holz an den Ziertürmen ist frisch lackiert.

»Erste Sicherungsmaßnahmen sind bereits abgeschlossen. Im Frühjahr nächsten Jahres beginnen dann die eigentlichen Sanierungsarbeiten«, sagt Katja Weise stolz. Die junge Architektin betreut für das Architektenteam »D4 Büro für Kirche und Kultur« das Projekt Instandsetzung der Berliner Moschee in der Brienner Straße in Wilmersdorf. Die in den Jahren 1924 bis 1928 im Auftrag der aus Pakistan stammenden Lahore-Ahmadiyya-Bewegung gebaute Moschee ist die erste und älteste in Deutschland.

Vom Berliner Architekten Karl Alfred Herrmann im orientalischen Mogul-Stil entworfen, ist der islamische Sakralbau ein architektonischer Hingucker. »Unser Mini-Taj-Mahal«, nennt Imam Amir Aziz seine Moschee in Anspielung auf das berühmte indische Bauwerk gleichen Architekturstils scherzhaft.

Doch der Zahn der Zeit hat deutliche Spuren hinterlassen. Seit Sommer wird das Gebäude daher saniert. Ab 2017 soll der Komplex aus Moschee, Imamhaus und Minaretten dann Schritt für Schritt instandgesetzt werden. Drei Jahre sind für die Arbeiten veranschlagt, Kosten sollen die Maßnahmen rund 1,5 Millionen Euro. Finanziert wird die Instandsetzung zu 80 Prozent aus Spenden der Gemeinde. Den Rest will man durch Fördergelder der Denkmalpflege akquirieren. Imam Aziz ist zuversichtlich, dass die weltweit in den Gemeinden der Lahore-Ahmadiyya-Bewegung gesammelten Spendengelder zusammenkommen. Immerhin wurde der Bau der Moschee damals zu 100 Prozent aus Spenden finanziert. Muslimische Diplomaten, die sich entscheidend für die Gründung der ersten Moschee in der Weimarer Republik eingesetzt hatten, sollen dafür sogar ihren Schmuck veräußert haben.

Dass der Komplex 88 Jahre später restauriert wird, freue ihn sehr, sagt der Imam. Der 46-Jährige hat in England und Ägypten studiert und stammt gebürtig aus Lahore in Pakistan. Seit diesem Frühjahr ist er an seiner neue Wirkungsstätte in Berlin. »Unsere Moschee ist nicht als bloßer Gebetsraum, sondern als ein Zentrum für den intellektuellen Austausch über Religionsgrenzen hinweg gegründet worden. Diese Tradition als interreligiöses Begegnungszentrum führen wir heute fort«, erklärt Aziz und fügt hinzu, dass Menschen aller Glaubensrichtungen willkommen seien. Regelmäßig trifft sich der Imam mit Vertretern der dänischen Christianskirken und der Russisch-Orthodoxen Christi-Auferstehungskathedrale, die in unmittelbarer Nachbarschaft beheimatet sind. Auch mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde hat Aziz schon die ein oder andere Tasse Tee getrunken.

Vor Schulklassen und Studentengruppen, die die eindrucksvolle Moschee gerne und häufig besuchen, hält er Vorträge über seine Religion. »Wir stehen für einen weltoffenen und toleranten Islam«, sagt Aziz. Frauen und Männer beten in Wilmersdorf zwar nicht nebeneinander, aber in einem Raum zusammen. Fundamentalistische Ansichten werden genauso wenig akzeptiert wie das Abwerten Andersgläubiger. Alle Gläubigen, die zum Gebet in seine Moschee kommen, würden diesen Grundsatz akzeptieren, erläutert der Geistliche.

Insbesondere zum Freitagsgebet kann es in der Brienner Straße voll werden. Dann kommen viele Muslime aus der nahe gelegenen Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Wilmersdorfer Rathaus am Fehrbelliner Platz. Sunniten und Schiiten beten Seite an Seite und lauschen den Worten eines Imams der Ahmadiyya.

In Aziz’ Heimat Pakistan wäre das unmöglich. Dort dürfen sich die nach dem theologischen Reformer Mizra Ghulam Ahmad (1835-1908) genannten Gemeinden nicht als muslimisch bezeichnen und werden vom Staat diskriminiert. Aziz weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, in einem Land verfolgt zu werden: Sein Vater wurde von Extremisten zu Tode geprügelt. Sein Bruder verließ die Familie, um in den Niederlanden Asyl zu beantragen.

Das Gespräch mit den Geflüchteten ist ihm daher besonders wichtig. »Ich sage immer zu den Flüchtlingen: Habt Respekt für die Gesetze und die Kultur des Landes, das euch aufgenommen hat. Inte-griert euch. Lernt die Sprache, damit ihr schnell Freunde findet«, sagt der Geistliche. Er selber möchte mit gutem Beispiel vorangehen. In der Brienner Straße wird auf Deutsch, Englisch und Arabisch gepredigt.

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