Brasilien: Rechtsruck bei Kommunalwahlen
Homophober Evangelikaler gewinnt in Rio de Janeiro / Arbeiterpartei PT gewinnt bei Stichwahlen in 57 Städten kein einziges Rathaus für sich
Berlin. Beim zweiten Durchgang der Lokalwahlen hat sich am Sonntag der Rechtsruck in Brasilien fortgesetzt. Bei der Stichwahl um die Bürgermeisterämter in den Hauptstädten zahlreicher Bundesländer setzten sich zumeist rechtskonservative Kandidaten durch. Die Arbeiterpartei PT der kürzlich abgesetzten Präsidentin Dilma Rousseff konnte bei den Stichwahlen in 57 Städten kein einziges Rathaus für sich entscheiden, wie die Zeitung »O Globo« in ihrer Onlineausgabe berichtete. Wie schon beim ersten Wahlgang Anfang Oktober verzeichneten vor allem Koalitionspartner der neuen Regierung von Präsident Michel Temer Zugewinne.
In Rio de Janeiro gewann der erzkonservative Politiker Marcelo Crivella mit knapp 60 Prozent der Stimmen vor dem Kandidaten der Linkspartei PSOL, Marcelo Freixo. Der bisherige Senator Crivella ist Bischof der evangelikalen Pfingstkirche Igreja Universal, die ihren Einfluss in der parteiübergreifenden religiösen Fraktion weiter ausbaut. Crivella war in der Vergangenheit durch abfällige Äußerungen über Homosexuelle und andere Religionen aufgefallen. Sein wichtigstes Wahlkampfversprechen war ein hartes Vorgehen gegen Kriminalität.
Die liberalkonservative PSDB setzte sich bei 14 Stichwahlen durch. Damit regiert die Partei von Außenminister José Serra in 28 Städten, die mehr als 200.000 Einwohner haben. Die PMDB von Präsident Temer errang in beiden Durchgängen die Rathäuser in 14 Großstädten, während die PT lediglich in einer Großstadt den Bürgermeister stellt. Trotz Wahlpflicht lag der Anteil der Nichtwähler mit 21,6 Prozent auf Rekordniveau.
Unter dem Vorwurf illegaler Haushaltstricks hatte der Senat die Mitte-Links-Politikerin Rousseff ihres Amts enthoben. Aufgrund von spektakulären Korruptionsermittlungen und einer Wirtschaftskrise büßte ihre PT-Regierung Unterstützung ein und verlor schließlich wichtige Koalitionspartner. Rousseffs Nachfolger Temer leitete eine politische Kehrtwende ein und will den Staatshaushalt mit umstrittenen Sparmaßnahmen sanieren. Temer wird bis zum Ende der Wahlperiode im Dezember 2018 das größte Land Lateinamerikas regieren. epd/nd
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