Rot-Rot-Grün soll Bürgerbeteiligung reformieren

Aktivisten übergeben Politikern 9,5 Thesen zur Volksgesetzgebung

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.

Montagfrüh, 7.30 Uhr. Vor dem Seiteneingang des Roten Rathauses stehen sieben Männer in brauner Mönchskutte. Sie haben Schilder in der Hand. »Schluß mit Sabotage von Volksentscheiden«, steht auf einem. Einer der Mönchsdarsteller trägt einen Korb mit Schriftrollen. »9,5 Thesen zur Reformation der direkten Demokratie« sind auf dem entrollten Schriftstück zu lesen. »Volksentscheide müssen an Wahltagen stattfinden«, lautet eine der Thesen. Auch Planungssicherheit durch klare Fristen im Verfahren wird gefordert.

»Die direkte Demokratie bedarf einer Reformation«, sagt Margarete Heitmüller von »Volksentscheid retten«. Sie gehört zu den Initiatoren der Demonstration, genau wie Vertreter des Radentscheids sowie des Vereins »Mehr Demokratie«. Passend zum Reformationstag und den ursprünglich für diesen Montag geplanten Koalitionsgesprächen von SPD, LINKEN und Grünen zu Bürgerrechten wollen die Aktivisten auf ihre Forderungen aufmerksam machen. »Volksentscheide sind nicht die besseren Entscheide, aber man muss sie fair umsetzen«, sagt Oliver Wiedmann von »Mehr Demokratie«.

Heinrich Strößenreuther vom Radentscheid wirft dem Senat bei beiden laufenden Volksentscheiden dagegen »Trickserei« und »Sabotage« vor. Seit fünf Monaten prüft der Senat bereits die Zulässigkeit der Begehren. Durch die lange Zeit ist es praktisch unmöglich geworden, dass die Abstimmung zeitgleich mit den Bundestagswahlen im Herbst 2017 stattfinden kann. »Das kommt einem Todesurteil gleich«, sagt Strößenreuther. Bundesweit seien bisher nur zwei Entscheide erfolgreich gewesen, wenn sie unabhängig von Wahlterminen stattgefunden haben. Der Radaktivist beklagt die »Asymmetrie« zwischen Regierung und Initiatoren von Volksbegehren. »In der ersten und zweiten Stufe gibt es überhaupt keine Fristen für den Senat.«

Die Reaktion der eintreffenden Politiker, die zu den Verhandlungen kommen, ist unterschiedlich. Während der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) nicht mal das Wagenfenster öffnet, um die Thesen entgegenzunehmen, steigt Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) kurz aus, um sich eine Schriftrolle geben zu lassen. »Das ist typisch. Müller ist kein Bürgermeister der Berliner«, sagt Heitmüller dazu. »Kollatz-Ahnen dagegen hat Stil. Wir stehen doch nicht umsonst hier.«

LINKEN-Landeschef Klaus Lederer begrüßt bei seinem Eintreffen jeden der zwei Handvoll Demonstranten mit Händedruck. »Das sind auch unsere Forderungen«, sagt er zu den Thesen. »Es liegt nicht an uns«, sagt er noch, falls die Forderungen der Aktivisten nicht in vollem Umfang berücksichtigt werden sollten.

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