Geringverdiener sind Ministerin weniger wert

Bundessozialministerin streicht Pläne zur Aufwertung von kleinen Renten

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 4 Min.

Zunehmende Altersarmut, sinkendes Rentenniveau und die Herausforderungen des demografischen Wandels: In der Rentenpolitik gibt es momentan erhöhten Diskussionsbedarf. Am Montag debattierten die Spitzen von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Verbänden im Rahmen des von Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) ausgerufenen Rentendialogs. Obwohl das Forum am Montag letztmalig zusammenkam, verzichtete das Ministerium auf eine Pressekonferenz. Und so war man auf das angewiesen, was Teilnehmer unter der Hand den Journalisten steckten. Demnach nimmt Nahles Abschied von ihren bisherigen Plänen für eine Lebensleistungsrente zur Aufwertung von kleinen Renten. Nahles sagte demzufolge, dass sich das Ziel, die Lebensleistung auch von Geringverdienern in der Rente widerzuspiegeln und Betroffene vor Altersarmut zu schützen, nicht gut genug innerhalb der Rentenversicherung lösen lasse. Laut Koalitionsvertrag sollen die Rentenpunkte langjähriger Beitragszahler mit niedrigen Rentenanwartschaften aufgewertet werden. Nahles verwies auf die vielen Kleinrentner, die in Haushalten mit hohem Einkommen lebten und gar nicht arm seien, meldete dpa.

Nahles Rückzieher überrascht, ist doch die Erkenntnis, dass es Menschen mit niedrigen Renten gibt, die einen vermögenden Partner haben, nicht neu. Noch im April klang es ganz anders aus dem Mund der Ministerin. Von der »Bild am Sonntag« auf das Problem der »wohlhabenden Zahnarztgattin« mit der kleinen Rente angesprochen, meinte die Ministerin, man werde die Partnereinkommen berücksichtigen müssen. »Das ist kein allzu großer bürokratischer Aufwand, aber wichtig für die Gerechtigkeit.« Doch diese Aussage gilt nun nicht mehr. Wie die dpa weiter berichtete, soll Nahles keinen Alternativvorschlag unterbreitet haben. Der Verdacht liegt nahe, dass sich die Ministerin, wie so oft, der Kritik aus der Union gebeugt hat. Viele Spitzenkader von CDU und CSU lehnen die Rente als »nicht finanzierbar« ab. Ob das Thema in dem für Mitte November angekündigten Rentenkonzept der Ministerin noch einmal eine Rolle spielt, bleibt abzuwarten.

Unklar ist auch, wie Nahles ihr Ziel, die Alterssicherung von Selbstständigen auf eine stabile Grundlage zu stellen, noch erreichen will. Während der Sitzung betonte sie Teilnehmern zufolge, dass sie die Absicherung für die Rente und für den Krankheitsfall gemeinsam betrachten wolle. Schon jetzt stöhnen viele Selbstständige unter den hohen Kosten für die Krankenversicherung. Vielen fehlt das Geld, auch noch für die Rente vorzusorgen.

Wie die Teilnehmer zudem berichteten, sprach sich Nahles für eine »doppelte Haltelinie« bei den Renten aus. Das Rentenniveau dürfe demnach nicht zu tief fallen und die Beiträge nicht zu stark steigen. Da rennt sie beim Koalitionspartner offene Türen ein. So sagte CSU-Chef Horst Seehofer am Montag in München, die beiden Schwesterparteien hätten sich am Freitag auf »eine doppelte Haltelinie« geeinigt. Das Rentenniveau dürfe nicht abrutschen, zugleich dürften die Beiträge nicht explodieren. Darüber solle mit der SPD diskutiert werden, so Seehofer. Angesichts der Tatsache, dass sich die Wortwahl von Seehofer und Nahles verdächtig ähnelte, scheinen Diskussionen gar nicht notwendig. Mit der zwischen den Koalitionären umstrittenen Lebensleistungsrente ist ein großer Streitpunkt nun ausgeräumt.

Bekannt ist, dass die Kanzlerin das Thema Rente noch vor der Wahl mit ein paar Milliarden zusätzlich abräumen will. Aus diesem Grund sucht sie auch eine Verständigung mit den Gewerkschaften. Am heutigen Dienstag ist ein Spitzengespräch zwischen CDU und dem Deutschen Gewerkschaftsbund geplant, an dem Merkel aber nicht teilnehmen wird. Auf dem ersten Treffen zwischen beiden Seiten Anfang Oktober hatte die CDU-Chefin moniert, dass der DGB mit seiner Warnung vor der um sich greifenden Altersarmut in Deutschland unnötige Ängste schüre und mit seinen Forderungen der AfD in die Hände spiele. Es besteht also Diskussionsbedarf.

Auch unionsintern. Die Spitzen von CDU und CSU kamen vergangenen Freitag zusammen, um eine gemeinsame Linie in der Rentenpolitik zu vereinbaren. Hauptstreitpunkt ist die von der CSU geforderte Ausweitung der Mütterrente, die von der CDU abgelehnt wird. Auch über die geplante Ost-West-Angleichung der Rente, gegen das sich die CDU-Fraktion in einem Papier vom März ausgesprochen hatte, und das künftige Rentenniveau wollte man sprechen.

Auch über die Lebensleistungsrente wollte man am Freitag sprechen. Doch dieses Thema ist nun vom Tisch.

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