Raus aus dem radikalen Islamismus
Niedersachsen bietet Aussteigern Hilfe an
Raus aus der rechten Szene: Vor allem an junge Menschen, die diesen Wunsch haben, wendet sich seit 2010 in Niedersachsen die »Aktion Neustart«, aufgelegt seinerzeit von der schwarz-gelben Landesregierung. Das Programm habe sich schon im ersten Jahr bewährt, konstatierte seinerzeit der damals amtierende Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Und auch laut Verfassungsschutzbericht für 2015 gibt es nach wie vor ehemalige Anhänger rechtsextremen Gedankenguts, die behördliche Hilfe bei der Absage an die braune Subkultur suchen. Bis Ende vergangenen Jahres, so der Nachrichtendienst, »konnte in 33 Fällen ein erfolgreicher Ausstieg aus der rechten Szene erreicht werden«. Nun hat die rot-grüne Landesregierung die »Aktion Neustart« auf den extremistischen Islamismus ausgeweitet.
Ab sofort hat das Innenministerium eine Mobilfunknummer freigeschaltet, unter der »Fachkräfte« für junge Leute erreichbar sind, »die sich im dschihadistisch-salafistischen Sinne radikalisiert haben« und einen Ausweg aus der islamistischen Szene suchen. »Wir müssen diesen Menschen dabei helfen, sich von extremistischem Gedankengut zu distanzieren und ihnen Wege heraus aus der gefährlichen islamistischen Szene ebnen«, sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD) bei der Vorstellung des neuen Programms. Dessen primäre Zielgruppe, unterstrich der Ressortchef, seien Personen, »die ihre extremistisch-islamistische Haltung beispielsweise im Internet offenbart haben oder durch einschlägige Straftaten aufgefallen sind«. Auch sollen junge Szeneeinsteiger gezielt vom Team der Aktion angesprochen werden, »um sie frühzeitig von einer möglichen Radikalisierung abzuhalten«.
Betreut wird das Aussteigerprogramm laut Niedersachsens Verfassungsschutz-Präsidentin Maren Brandenburger von Mitarbeitern, die bereits Erfahrung im Umgang mit dem Bereich Islamismus haben. »Sie arbeiten auf Grundlage pädagogischer Fachkenntnisse und Methoden und helfen Ausstiegswilligen dabei, islamistische Gedankenmuster abzulegen«, so die Chefin des Dienstes. Wie sie hervorhebt, werde »im gesamten Ausstiegsprozess die persönliche Sicherheit der Betroffenen gewahrt«. Die Kontaktaufnahme werde absolut vertraulich behandelt.
Was jene junge Menschen im Detail erwartet, die den Kontakt aufnehmen, nannte das Innenministerium nicht. Die Angebote dürften denen der »Aktion Neustart« gleichen, die sich an Angehörige der rechten Szene wendet: Unter anderem das Erstellen eines individuellen Ausstiegsplanes, Unterstützung bei der Ausbildungs- und Wohnungssuche und auch bei Gesprächen mit Arbeitgebern, Eltern und Lehrern, »Hilfe bei Bedrohungssituationen« sowie »vorurteilsfreie Gespräche über Probleme und Wünsche« gehören zum Konzept.
Kaum hatte Boris Pistorius das neue Programm vorgestellt, nutzte es die CDU-Landtagsfraktion für eine Klatsche in Richtung des Innenministers. Die Union, die zurzeit keine Gelegenheit auslässt, der rot-grünen Regierung Nachlässigkeit bei der Bekämpfung des radikalen Islamismus vorzuwerfen, schimpft durch ihre innenpolitische Sprecherin Angelika Jahns: Fast ein Jahr nach »dem ersten islamistisch motivierten Terrorangriff auf niedersächsischem Boden« durch Safia S., die in Hannovers Hauptbahnhof einen Bundespolizisten niedergestochen hatte, komme der Innenminister »endlich zur Besinnung; leider viel zu spät«.
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