Raus aus dem radikalen Islamismus

Niedersachsen bietet Aussteigern Hilfe an

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Raus aus der rechten Szene: Vor allem an junge Menschen, die diesen Wunsch haben, wendet sich seit 2010 in Niedersachsen die »Aktion Neustart«, aufgelegt seinerzeit von der schwarz-gelben Landesregierung. Das Programm habe sich schon im ersten Jahr bewährt, konstatierte seinerzeit der damals amtierende Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Und auch laut Verfassungsschutzbericht für 2015 gibt es nach wie vor ehemalige Anhänger rechtsextremen Gedankenguts, die behördliche Hilfe bei der Absage an die braune Subkultur suchen. Bis Ende vergangenen Jahres, so der Nachrichtendienst, »konnte in 33 Fällen ein erfolgreicher Ausstieg aus der rechten Szene erreicht werden«. Nun hat die rot-grüne Landesregierung die »Aktion Neustart« auf den extremistischen Islamismus ausgeweitet.

Ab sofort hat das Innenministerium eine Mobilfunknummer freigeschaltet, unter der »Fachkräfte« für junge Leute erreichbar sind, »die sich im dschihadistisch-salafistischen Sinne radikalisiert haben« und einen Ausweg aus der islamistischen Szene suchen. »Wir müssen diesen Menschen dabei helfen, sich von extremistischem Gedankengut zu distanzieren und ihnen Wege heraus aus der gefährlichen islamistischen Szene ebnen«, sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD) bei der Vorstellung des neuen Programms. Dessen primäre Zielgruppe, unterstrich der Ressortchef, seien Personen, »die ihre extremistisch-islamistische Haltung beispielsweise im Internet offenbart haben oder durch einschlägige Straftaten aufgefallen sind«. Auch sollen junge Szeneeinsteiger gezielt vom Team der Aktion angesprochen werden, »um sie frühzeitig von einer möglichen Radikalisierung abzuhalten«.

Betreut wird das Aussteigerprogramm laut Niedersachsens Verfassungsschutz-Präsidentin Maren Brandenburger von Mitarbeitern, die bereits Erfahrung im Umgang mit dem Bereich Islamismus haben. »Sie arbeiten auf Grundlage pädagogischer Fachkenntnisse und Methoden und helfen Ausstiegswilligen dabei, islamistische Gedankenmuster abzulegen«, so die Chefin des Dienstes. Wie sie hervorhebt, werde »im gesamten Ausstiegsprozess die persönliche Sicherheit der Betroffenen gewahrt«. Die Kontaktaufnahme werde absolut vertraulich behandelt.

Was jene junge Menschen im Detail erwartet, die den Kontakt aufnehmen, nannte das Innenministerium nicht. Die Angebote dürften denen der »Aktion Neustart« gleichen, die sich an Angehörige der rechten Szene wendet: Unter anderem das Erstellen eines individuellen Ausstiegsplanes, Unterstützung bei der Ausbildungs- und Wohnungssuche und auch bei Gesprächen mit Arbeitgebern, Eltern und Lehrern, »Hilfe bei Bedrohungssituationen« sowie »vorurteilsfreie Gespräche über Probleme und Wünsche« gehören zum Konzept.

Kaum hatte Boris Pistorius das neue Programm vorgestellt, nutzte es die CDU-Landtagsfraktion für eine Klatsche in Richtung des Innenministers. Die Union, die zurzeit keine Gelegenheit auslässt, der rot-grünen Regierung Nachlässigkeit bei der Bekämpfung des radikalen Islamismus vorzuwerfen, schimpft durch ihre innenpolitische Sprecherin Angelika Jahns: Fast ein Jahr nach »dem ersten islamistisch motivierten Terrorangriff auf niedersächsischem Boden« durch Safia S., die in Hannovers Hauptbahnhof einen Bundespolizisten niedergestochen hatte, komme der Innenminister »endlich zur Besinnung; leider viel zu spät«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -